KULTURTHEORIELITERATURWISSENSCHAFT |
KOMMENTIERTEBIBLIOGRAPHIE |
Pörtner, Peter.1996. "Aneignung durch Enteignung, ein japanischer Weg. Flankierende Notizen zum Fremdverständnis, zur japanischen Literaturwissenschaft und zum Übersetzungsproblem". Wie international ist die Literaturwissenschaft? Methoden- und Theoriediskussion in den Literaturwissenschaften: kulturelle Besonderheiten und interkultureller Austausch am Beispiel des Interpretationsproblems (1950-1990). Hg. von Lutz Dannenberg und Friedrich Vollhardt in Zusammenarbeit mit Hartmut Böhme und Jörg Schönert. Stuttgart/Weimar: Metzler,478-491. Schlagwörter: Literaturwissenschaft, Literaturgeschichtsschreibung, Hermeneutik, Germanistik, Übersetzung, Kulturtheorie Abstract:
Wie bereits dem Untertitel zu entnehmen, widmet sich der Aufsatz Peter
Pörtners den Problemfeldern Fremdhermeneutik, Literaturwissenschaft
und Übersetzung. Ausgehend von der Beobachtung einer gegenseitigen
Ignoranz bezüglich der Tätigkeit deutscher Japanologen und japanischer
Germanisten bietet der erste Teil eine Bestandaufnahme jener sowohl von
japanischer als auch westlicher Seite im Rahmen des Japandiskurses häufig
(und häufig axiomatisch) beschworenen soziokulturellen Merkmale,
die eine erfolgreiche Kommunikationspraxis zwischen Japan und dem Westen
verhindern: Verschlossenheit der Sprache, Mangel einer Ich-Identität
in abendländischem Verständnis, maternelle gesellschaftliche
Strukturen, eigentümliche Beziehung zur Natur, "religiöse Irreligiosität"
. Ferner werden an dieser Stelle zwei Typen der Auseinandersetzung mit
Japan vorgestellt: Projektion als Mechanismus, in dem das Bezugsobjekt
in seiner Wirklichkeit ignoriert und lediglich als leere Fläche für
in der eigenen Kultur nicht realisierte Vorstellungen wahrgenommen wird,
sowie Übertragung, mittels der die eigene Kultur als vollendete Moderne,
der Vergleichsterminus hingegen - in seiner Ganzheit oder Teilbereichen
- als ungenügend differenziert erscheint. Der 2. Teil verfolgt die
Frage, ob und inwieweit sich die heute noch propagierte Vorstellung einer
Seelenverwandtschaft der Japaner und Deutschen als berechtigt erweist;
untersucht wird die Problematik anhand zweier Komplexe: a) der Übernahme
des deutschen Idealismus als Gegenkonzept zu "fortschrittlichen" Gedankenströmen
und b) der Instrumentalisierung des Deutschen durch die japanische Werbesprache,
die eine Wiedergabe von "Eigenschaften des ethno-kulturellen Stereotyps"
(Haarmann) bewirken. Kommentar: Dieser inhaltlich heterogene, assoziativ vorgehende, durch das Konzept der semantischen Fraktur des Fremden als Charakteristikum des japanischen Paradigmas lose zusammengehaltene Aufsatz entwirft primär ein Interpretationsmodell, das durch diachrone Untersuchung der japanischen Kultur zwar erhärtet wird, dem jedoch keinen höheren Gültigkeitsanspruch vor einigen anderen Entwürfen einzuräumen ist. Wie jene anderen - sowie das Interpretationsmodell allgemein - besitzt dieses einen fragmentarischen Charakter und leistet lediglich die Teilerklärung einer Teilansicht. Sekundär betreibt Pörtner eine Aktualisierung japanologisch relevanter Fragestellungen: nach Möglichkeiten und Grenzen der Hermeneutik sowie dem vielbeachteten Übersetzungsproblem. Literaturhinweise:
Haarmann, Harald: Prestigefunktionen europäischer Sprachen im modernen
Literatur verstehen?, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990 (es ; N. F. 608).
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