KULTURTHEORIEINTERKULTURALITÄT |
KOMMENTIERTEBIBLIOGRAPHIE |
Reckwitz,
Andreas. 1997. Kulturtheorie, Systemtheorie und das sozialtheoretische
Muster
der Innen-Aussen-Differenz. Zeitschrift für Soziologie, 26, Nr.
5, 317-336. Schlagwörter: Konstruktivistische Systemtheorie, Leitunterscheidung, psychische und soziale Systeme, Holismus Abstract: Luhmanns konstruktivistische Systemtheorie und die neueren Ansätze einer kulturtheoretischen Analyse wissensangeleiteter sozialer Praktiken, wie sie exemplarisch bei Bourdieu und Giddens präsentiert wird, vollziehen die interpretative Wende' in den Sozialwissenschaften in einer jeweils konträren Theoriearchitektur. Luhmann baut mit seiner Leitunterscheidung zwischen psychischen und sozialen Systemen in Anlehnung an Descartes, Husserl und Durkheim auf einer Innen-Außen-Differenz zwischen Bewußtsein und Sozialwelt auf. Die Kulturtheorien bei Bourdieu und Giddens distanzieren sich hingegen in Anlehnung an Saussure und den späten Wittgenstein von dieser Innen-Außen-Differenz und gehen statt dessen von der analytischen Leitdifferenz zwischen Wissensstrukturen und Handlungspraxis aus. Rekonstruiert man Systemtheorie und Kulturtheorien in dieser Weise, verschieben sich die Fronten gängiger Theoriekritik: Die Kulturtheorien erscheinen nicht als individualistisch', sondern umgekehrt als Vertreter eines sozialen Regelholismus. Demgegenüber besitzt Luhmanns vorgeblicher Holismus im Begriff des psychischen System eine individualistische Kehrseite und sieht sich mit der kulturtheoretischen Kritik konfrontiert, soziales Wissen' auf Semantik zu reduzieren. (Zusammenfassung zu Beginn des Textes) Kommentar: Ausgehend von mehreren Metatheorien der Sozialtheorien (social facts, social behaviour, social definition), die parallel nebeneinander existieren, zeigt Reckwitz die nachdrücklichste Veränderung auf dem Gebiet des social-definition-Paradigmas, das sich zu kulturtheoretischen bzw. systemtheoretischen Ansätzen entwickelt hat. Er stellt dabei den systemtheoretischen Konstruktivismus Luhmanns (Stichwort: Autopoiesis) gegen die Beobachtungen der Gesellschaft, wie sie von Bourdieu und Giddens vorgenommen wurden (Stichwort: wissensangeleitete soziale Praktiken). Dabei macht er die Rekonstruktion von sozialen Sinnzusammenhängen als deren grundlegende Gemeinsamkeit aus, um dann aber auf die grundlegenden Unterschiede hinzuweisen, die er nicht als Gegenüberstellung von individualistisch' und holistisch' charakterisiert, sondern vielmehr als das jeweilige Verhältnis der einzelnen Theorieansätze zur Innen-Außen-Differenz - also dem Verhältnis von Bewußtsein zur Außenwelt bzw. von psychischen zu sozialen Systemen. (M.M.)
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