KULTURTHEORIEINTERKULTURALITÄT
KRITISCHEKULTURTHEORIE
KOMMENTIERTEBIBLIOGRAPHIE

Yamaguchi, Osamu. 1995. "Skizzen zum Thema: "Wenn Kulturen sich begegnen"". Lux Oriente. Begegnungen der Kulturen in der Musikforschung. Festschrift für Robert Günther zum 65. Geburtstag. Hg. von Klaus Wolfgang Niemöller et al. Kassel: Gustav Bosse, S. 493-501.

Schlagwörter: Musikforschung, Kulturaustausch, Interkulturalität, Kulturrelativismus, Kulturtheorie

Abstract: der Aufsatz Yamaguchi Osamus besteht aus 5 quantitativ gleichen Teilen, die jeweils einen thematischen Schwerpunkt kurz behandeln. Begonnen wird mit einer mit Beispielen untermauerten, extensiven Definition der Kultur als Gesamtheit dessen, was Menschen innerhalb eines bestimmten Raumes und Zeitverlaufs hervorgebracht haben und hervorbringen. Kultur/Zivilisation entsteht aus der Objektivierung der Naturphänomene Klang, Licht, Duft und Wärme; ihre emotionell und intellektuell getätigte Transformation in Kunstgebilde oder religiöse Handlungen dient dem Menschen als sozialem und religiösem Wesen zur Kommunikation mit Menschen oder Gott. Der 2. Teil
enthält einige Überlegungen zum Prozess des Kulturaustausches; hierbei werden am Beispiel der Musikinstrumente zuerst Unterschiede zwischen Völkern als klimatisch bedingte Phänomene, anschliessend der als die eigene Kultur erweiternd verstandene Austausch der (Musik)kulturen thematisiert und an der Akkulturation der Ryûkyû-Inseln exemplifiziert. Es folgt eine Feststellung zur situationsbedingten Unvermeidbarkeit einer Etikettierung von Kulturen (japanische Kultur, westafrikanische Kultur, etc.) sowie zum Sinngehalt einer solchen in der Spezifizierung von Kultur. Der 3. Teil befasst sich, von der philologischen Analyse und Interpretation eines belauischen Sprichwortes ausgehend, mit der Relevanz des Faktors Zeit für die Kulturproduktion. Der 4. Teil greift die Thematik des 2. Teiles wieder auf und vertieft sie durch Überlegungen zu den Mechanismen des Eintrittes in eine andere Kultur: Neugierde als Ausgangspunkt/Auslöser, Diskriminierung als häufige Reaktion des Nicht-Verstehens, schliesslich das Verstehen als Lernerfahrung. Der letzte Teil befasst sich mit der Konfrontation des
Westens mit fremden Kulturgütern: der die Kolonisation begleitende Kulturraub wird insofern relativiert, als dass er einen Paradigmenwechsel
ermöglichte, durch den der Europäer - bis dahin sich ausschließlich in den Grenzen der eigenen Kultur aufhaltend - eine "unvergleichlich flexible
Denkweise" (S. 500) entwickelte. Einen derartigen Paradigmenwechsel erachtet der Autor als allen modernen Wissenschaften zugrunde liegend und zugleich revolutionierendes Element im Bereich der Künste (Beispiel Debussy). Abschliessend werden die vorherigen Aussagen wiederholt
relativiert, indem auf negative Folgen eines solchen Kulturrelativismus - Unvermögen, das Wesentliche einer Kultur zu determinieren - hingewiesen wird.

Kommentar: der Aufsatz Yamaguchi Osamus versteht sich als ein am Fallbeispiel der Musikforschung vorgenommener Beitrag zur interkulturellen Hermeneutik, der verstärkt Problemfelder wie das Verstehen des Fremden und das konstruktive Potential kulturellen Austausches thematisiert. Leider vermag er wenig zu überzeugen: die Darstellung erweist sich als konventionell, an theoretischer Untermauerung sowie Lösungsvorschlägen mangelt es gänzlich, ein weitestgehend expositorischer Charakter kann nicht überwunden werden. Bedenklich stimmt auch die Tributarität gegenüber Watsujis Klimatologie sowie der strittige Glaube an das didaktische Potential der Geschichte. Es überwiegen tendenziell vom japanischen Diskurskontext nicht zu trennende Elemente wie die Betonung des Menschen in
seiner Funktion als Gemeinschaftswesen und der für den westlichen Leser häufig irritierende deskriptive Duktus - der Vorwurf Irmela Hijiya
Kirschnereits bezüglich der japanischen Gepflogenheit, über schöne Inhalte schön zu schreiben wird von diesem Aufsatz erhärtet

Literaturhinweise: Hijiya-Kirschnereit, Irmela: Was heißt: Japanische Literatur verstehen?, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990 (es ; N. F. 608). (D.L.).