KULTURTHEORIEKULTURKRITIK
KRITISCHEKULTURTHEORIE
KOMMENTIERTEBIBLIOGRAPHIE

Ullrich, Wolfgang. 1999. Zentrifugalangst und Autonomiestolz. Ein Nachruf auf die Kulturkritik. Neue Rundschau, Heft 2/1999, S. 9-22.

Schlagworte: Schelers Kategorientafel der Kulturkritik, "höherwertige" KulturHeideggers Ablehnung, "eigentliche" KulturScheler, Heidegger

Abstract: Aufschlussreich ist Schelers Kategorientafel der Kulturkritik, weil die Technik kulturkritischen Denkens in Dualitäten dargestellt wird, die jedoch keine strikten Gegensätze bezeichnen, sondern durchaus zu "Verwechslungen" (z.B. Komfort mit Kultur) führen können, und nur dem geschulten Blick verrät sich das eine als Defizienzform des anderen.Diese Aufstellung wurde von Heidegger als Beleg einer Reduktion des Denkens auf ein nutzenorientiertes Rechnen hin abgelehnt. So äußert er die Überzeugung, dass sich das Wesentliche niemals in einer Tafel noch sonst wie in einer Fächerung eines Systems aufzählen und darstellen ließe.

Kommentar: Ausgehend von Max Schelers dualistischer Gegenüberstellung von deutscher und englischer Kultur (wobei die englische eine Ausdünnung der deutschen bzw. eine falsche Gleichsetzung mit dieser ist) zeigt Ullrich eine plakative Form der Kulturkritik, die darauf hindeutet, dass es nicht nur reine Gegensätze zu einer Kultur oder einem Kulturbegriff gibt, sondern Auffassungen vorherrschen können, die mit ihren Begriffen die "höherwertige" Kultur überlagern können. Diese "höherwertige" Kultur bildet das Zentrum, die Ausdünnung und Verwechslung sind die Peripherie; Kulturkritik bedeutet somit, alles mit dem Argwohn zu observieren, es könnte Zentrifugalkräften unterliegen. Scheler geht also davon aus, das Zentrum, also die "höherwertige" Kultur und somit das "Gute, Schöne, Wahre" zu kennen und bestimmen zu könnenIm Gegensatz dazu steht Heideggers Negation, sich dem "Wahren" auch nur vermeintlich nähern zu können. (M.M.)