KULTURTHEORIEKOMMENTARE |
KOMMENTIERTEBIBLIOGRAPHIE |
I.
Kulturtheorie/Kulturkritik
Bhabha,
Homi K.. 2000 [engl. 1994]. Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg. Schlagwörter:
Studien zur Inter- und Multikultur, Postkolonialismus, ethnische Minderheiten,
Topographie der Kultur, kulturelle Ambivalenz und KontingenzFreud, Derrida,
Heidegger Abstract: Original:
"The Location Of Culture". Mit
diesem Band liegt das Hauptwerk von Bhabha erstmals komplett in deutscher
Übersetzung vor. Kein Denker hat die Problematik der Verortung der
Kultur so prägnant auf den Punkt gebracht wie dieser "anglisierte
postkoloniale Migrant, der zufällig ein Literaturwissenschaftler
mit leicht französischem Einfluss ist" - so Bhabhas Selbstcharakterisierung.
In einer virtuosen , beziehungsreichen Sprache legt er dar, dass in postkolonialen
Zeiten das "Wesen" oder der "Ort" der Kultur nicht
mehr einheitlich, geschlossen verstanden werden kann. Derartigen Vorstellungen
hält der Theoretiker der Hybridität sein Konzept des "Dritten
Raumes" entgegen, das über die geläufigen Polaritäten
wie Ich - Anderer, Dritte Welt - Erste Welt weit hinausgeht. Die in der
"Verortung der Kultur" versammelten Texte zählen zu den
innovativsten ein einflussreichsten Arbeiten der aktuellen Literaturtheorie
und Kulturwissenschaft. Eine ernstzunehmende Beschäftigung mit postkolonialen
und multikulturellen Fragen ist - wie Toni Morrison einmal sagte - ohne
eine Lektüre von Homi K. Bhabhas Werk schlicht undenkbar. (Klappentext)Rez.:
Literaturen 11/2000, S. 100 Kommentar: In unserem von Emigration, Migration und ethnischer Hybridität gekennzeichneten Zeitalter müssen wir zunehmend mithilfe von Denkfiguren wie Zwischenräumen', Spalten', Spaltungen' oder Doppelungen' operieren, um die Frage der kulturellen Differenz als produktive Desorientierung und nicht als Festschreibung einer vereinnehmbaren Andersartigkeit zu verhandeln - so könnte man das zentrale Anliegen Bhabhas zusammenfassen. (M.M) * * * * * *
Stichwörter: Handbuch zu 236 Stichwörtern, Interdisziplinarität, kulturtheoretische Schulen, osteuropäischer Sprachbereich, Glossar, Lemmata Abstract: Das Wörterbuch zur Literatur- und Kulturtheorie. Im Zentrum dieses Werks stehen "Schulen" wie zum Beispiel Russischer Formalismus, New Criticism, Hermeneutik, Geistesgeschichte, Strukturalismus, Semiotik, Poststrukturalismus, Historismus (New Historicism), Systemtheorie, Cultural Studies, Feministische Literaturwissenschaft, Postkoloniale Theorie und Empirische Literaturwissenschaft. (Verlagsankündigung) Unter den am häufigsten genannten Autoren - Bachtin, Barthes, Culler, Derrida, Eco, Foucault, Genette, Greimas, Jakobson, Kristeva, Lacan, Lévi-Strauss, Luhmann, Ricur, de Saussure, Todorov - finden sich nur wenige Literaturwissenschaftler im engeren Sinne. Dies zeigt, in welchem Maß sich die Theorie(n) der Literatur im vergangenen Zentennium von Nachbarwissenschaften haben bestimmen lassen: von Linguistik und Ethnologie, von Sozialwissenschaften, Psychologie und Ästhetik, und es erforderte bei der Übertragung nicht selten Ausgriffe in die Terminologien benachbarter Wissenschaften. Kommentar: Stellt das Begriffsinstrumentarium unterschiedlicher Sprachbereiche gegeneinander, um so Unterschiede und Gemeinsamkeit herauszuarbeiten und die Bedeutung der Begriffe innerhalb ihres jeweiligen theoretischen Kontextes zu betonen. Trägt in seiner Auswahl der Begriffe aus den Bereichen Sprach-, Kultur-, Geisteswissenschaft, Philosophie, Soziologie usw. der Interdisziplinarität der Literatur- und Kulturtheorie Rechnung. Das Handbuch versteht sich als Einführung in die literarische Theorie, das sowohl kulturale als auch ethisch-politische Aspekte der unterschiedlichen theoretischen Schulen zusammenführt und auf ihrem aktuellen Stand darstellt. (M.M.) * * * * *
Bonnell, Victoria E/Hunt, Lynn (Hgg.). 1999. Beyond the Cultural Turn. New Directions in the Study of Society and Culture. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press. Textauszug: "If culture has a distinct semiotic logic, then by implication it must in some sense be coherent. But it is important not to exaggerate or misspecify the coherence of symbol systems. I assume the coherence of a cultural system to be semiotic in a roughly Saussurian sense: that is, that the meaning of a sign or symbol is a function of its network of oppositions to or distinctions from other signs in the system. This implies that users of culture will form a semiotic community - in the sense that they will recognize the same set of oppositions and therefore be capable of engaging in mutually meaningful symbolic action. To use the ubiquitous linguistic analogy, they will be capable of using the grammar' of the semiotic system to make understandable utterances'. It should be noted, however, that this conception actually implies only a quite minimal cultural coherence - one might call it a thin coherence. The fact that members of a semiotic community recognize a given set of symbolic oppositions does not determine what sort of statements or actions they will construct on the basis of their semiotic competence. Nor does it mean that they form a community in any fuller sense. [...] Cultural analysts who - like me - wish to argue that cultural systems are powerfully constraining have often drawn back from deconstructionist arguments in horror. I think this is a major mistake; indeed, I would maintain that a broadly deconstructionist understanding of meaning is essential for anyone attempting to theorize cultural change. Deconstruction does not deny the possibility of coherence. Rather, it assumes that the coherence inherent in a system of symbols is thin in the sense I have described: it demonstrates over and over that what are taken as the certainties or truths of texts or discourses are in fact disputable and unstable. This seems entirely compatible with a practice perspective on culture. It assumes that symbol systems have a (Saussurian) logic but that this logic is openended, not closed. And it strongly implies that when a given symbol system is taken by its users to be unambiguous and highly constraining, these qualities cannot be accounted for by their semiotic qualities alone but must result from the way their semiotic structures are interlocked in practice with other structures - economic, political, social, spatial, and so on." (William H. Sewell, Jr., "The Concept(s) of Culture", 49-51) Kommentar:
Der Band versammelt, neben einer Einleitung der beiden Herausgeberinnen
und einem Nachwort von Hayden White, neun Essays, die in vier Kapitel
unterteilt sind: 1. "Culture as Concept and Practice" ("The
Concept(s) of Culture"; "Method and Metaphor after the New Cultural
History"), 2. "Knowledge in the Social Sciences" ("Science
Studies after Social Construction: The Turn toward the Comparative and
the Global"; "The Privatization of Citizenship: How to Unthink
a Knowledge Culture"), 3. "Narrative, Discourse, and Problems
of Representation" ("Cultural History and the Challenge of Narrativity";
"Colonizers, Scholars, and the Creation of Invisible Histories";
"Cultural Analysis and Moral Discourses: Episodes, Continuities,
and Transformations", 4. "Reconstructing the Categories of Body
and Self" ("Why All the Fuss about the Body? A Medievalist's
Perspective"; "Problematizing the Self"). * * * * *
Bueno, Gustavo. 2002. Der Mythos der Kultur. Essay einer materialistischen Kulturphilosophie (Einl. und Übers. v. Nicole Holzenthal). Bern: Peter Lang. Was ist der Unterschied zwischen der Wirkung einer Aspirin und dem Besuch in der Oper? Kein wesentlicher, meint der spanische Philosoph Gustavo Bueno Martínez, der an der Universität von Oviedo bis 1998 als Professor für "Grundlagen der Philosophie und Geschichte der philosophischen Systeme" lehrte. Beides sind Tatsachen, die ihre konkrete Funktion als Beruhigungsmittel gleichermaßen gut erfüllen. Eine Kopfschmerztablette ist sogar viel billiger als eine Eintrittskarte in die Oper und sie täuscht - im Gegensatz zur "Stimmakrobatik" - nicht vor, den Benutzer in den Zustand "eines höheren geistigen Lebens" zu versetzen. Den metaphysischen Anspruch der Kultur untersucht Gustavo Bueno in der systematischen Studie mit dem Titel Der Mythos der Kultur, mit dem jetzt erstmals ein Buch Buenos auf Deutsch erschienen ist. Bislang dürfte der 78-jährige Philosoph bestenfalls dem deutschsprachigen Fachpublikum bekannt sein, da Bueno für die Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften einige Einträge verfasste. In Spanien ist Bueno als Gründer der philosophischen Zeitschrift El Basilisco, als gefragter Teilnehmer an öffentlichen Debatten und vor allem als Begründer und Urheber eines sehr stichhaltigen und kohärenten philosophischen Systems bekannt, dem "philosophischen Materialismus". Der emeritierte Professor arbeitet seit 1998 mit rund dreißig Mitarbeitern und Schülern an seiner Akademie, der Fundación Gustavo Bueno, die auch als "Schule von Oviedo" bezeichnet wird, mit diesem System in verschiedenen Bereichen der Wissenschaften oder der Philosophie. Charakteristisch für den philosophischen Materialismus ist die kritische, dialektische und häufig auch polemische Auseinandersetzung mit der Realität, dem "ontologischen Material", und eine radikale Umdeutung der Ideen der "Welt", der "Seele" und "Gottes", die auf drei verschiedenen Arten von Materialität fußen: die der physischen Phänomene, die der psychischen und gesellschaftlichen und schließlich diejenige der logischen und theologischen Phänomene. Die Ideen - so Bueno - sind damit weder vom Himmel gefallen, noch schwirren sie im Äther umher; sie haben eine Geschichte, die es zu untersuchen gilt. Wie agieren Mythen, Institutionen, kulturelle Gebilde, fragt Bueno, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, darüber hinaus auch das Funktionieren von Wissenschaften zu hinterfragen: Was ist die Wissenschaft? Was ist Bioethik? Was ist die Anthropologie? Was ist Natur? Was ist Kultur? Dabei wendet sich Bueno mit seinem Denksystem zudem gegen die "spiritualistischen" Ansätze, mit denen er die Philosophie des Geistes meint. In Der Mythos der Kultur stellt Bueno dar, wie im 19. Jahrhundert, ausgehend von den Ansätzen deutscher Philosophen - Bueno bezieht sich vor allem auf Herder, Fichte und Hegel - die Idee der Kultur entstanden und wie sie bis heute strukturiert ist. Eine entscheidende Verselbständigung der Idee der Kultur, "ihre Substanzialisierung", macht Bueno in der kleinbürgerlichen Gesellschaft aus, wenn der Begriff "Kultur" die Konzepte wie Ausbildung, Erlernen und Aneignen verdrängt und im Sinne einer geistigen "Kultivierung" verstanden wird, bei der es weniger um das Erlangen bestimmter Fähigkeiten geht, als vielmehr um soziale Abgrenzungsmechanismen. Bueno führt das "kultivierte Fräulein" an und fragt, warum es ausgerechnet Klavier und Französisch, nicht aber Hebräisch und Akkordeon lernen musste? Die Gesellschaft gibt die jeweiligen Parameter vor, durch die eine vermeintliche "Kultiviertheit" gesteuert wird, die zugleich den Zugang zu einer bestimmten Schicht oder Gruppe verspricht und darüber hinaus eine Art geistiger Erhöhung. Bueno kommt zu dem Schluss, dass sich die Idee der Kultur als Nachfolgerin der im christlichen Mittelalter geläufigen Idee des Gnadenreiches etabliert hat: "Das Reich der Kultur war dazu bestimmt, die Funktionen des von ihm ausgeschalteten Reiches auszuüben, nämlich die Funktionen des heilenden Prinzips, des erhebenden und heiligmachenden Prinzips." Wo einst ein Priester stand, tanzt heute Michael Jackson oder singt eine Operndiva. Die Idee der Kultur verleiht - laut Bueno - simplen Handlungen ein maßloses und irrationales Prestige, legt Identitäten fest, politische Spielräume und neue Staaten. Bueno erwähnt in diesem Zusammenhang immer wieder die separatistischen Strömungen in Spanien. Dass das Konzept der Nationalkultur oder Staatskultur nicht nur einschläfernd ist, sondern auch gefährlich, liegt dabei auf der Hand. Die Übersetzung von Der Mythos der Kultur verfasste Nicole Holzenthal, die selbst zum Team der "Schule von Oviedo" gehört und zu Buenos Studie eine sehr hilfreiche Einführung verfasst hat. Darüber hinaus wurde das Glossar um einige wichtige Einträge erweitert, so dass dem deutschsprachigen Leser damit ein relativ leichter Einstieg in Buenos komplexes Denken ermöglicht wird. (Gabriella Vitiello) * * * * *
Clifford, James/Marcus, George E.. 1986. Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press. Inhalt: Vorwort (Clifford/Marcus); "Introduction: Partial Truths" (Clifford); "Fieldwork in Common Places" (Mary Louise Pratt); "Hermes' Dilemma: The Masking of Subversion in Ethnographic Description" (Vincent Crapanzano); "From the Door of His Tent: The Fieldworker and the Inquisitor" (Renato Rosaldo); "On Ethnographic Allegory" (Clifford); "Post-Modern Ethnography: From Document of the Occult to Occult Document" (Stephen A. Tyler); "The Concept of Cultural Translation in British Social Anthropology" (Talal Asad); "Contemporary Problems of Ethnography in the Modern World System" (Marcus); "Ethnicity and the Post-Modern Arts of Memory" (Michael M. J. Fischer); "Representations Are Social Facts: Modernity and Post-Modernity in Anthropology" (Paul Rabinow); "Afterword: Ethnographic Writing and Anthropological Careers" ; Bibliographie/Zu den Autoren/Index. Kommentar:
Der im Titel pointiert zum Ausdruck gebrachte Richtungswechsel innerhalb
der Humanwissenschaften, der heute als "linguistic turn" bezeichnet wird
und die Betonung des rhetorisch Inszenierten gegenüber dem vermeintlich
authentisch Dokumentierten meint, wird in Cliffords Einführung in
markanten Sätzen wie folgt charakterisiert: *****
Eagleton,
Terry. 2001. Was ist Kultur?. München: C.H. Beck. Schlagwörter:
Begriff, Begriffsgeschichte, Natur und Kultur, Internationalismus, Kulturkrieg Abstract: Original-Titel: The Idea Of Culutre. Terry Eagleton ist heute einer der führenden Intellektuellen Großbritanniens. In seinem neuesten Werk zeigt er die Bedeutung des Kulturbegriffs im geschichtlichen, philosophischen und politischen Kontext. Er analysiert die unterschiedlichen ästhetischen und politischen Kulturströmungen heute und entwickelt eine eigene Vorstellung von Kultur, die dem Aspekt des Gelebtwerdens, dem Alltäglichen von Kultur einen größeren Raum gibt. "Kultur" ist in aller Munde. Aber was ist Kultur? Eine Magazin-Rubrik oder die "Einheit des künstlerischen Stils ... eines Volkes" (F. Nietzsche); "erlesenes Getue" (L. Marcuse) oder ganz einfach eine "künstlich erzeugte Illusion" (W. B. Yeats)? Kultur setzt sich im allgemeinen Verständnis ab von Natur, aber erinnert der Kulturbegriff in seinem Ursprung nicht gerade an das Materielle, an das, was bebaut und gepflegt wird, den Acker, die Erde? Dieses Buch führt ein in die unterschiedlichen Aspekte, was uns Kultur bedeutet, was wir mit Kultur anderen bedeuten wollen, und welchen Unterschied es macht, von der Kultur einen Blick auf andere Kulturen zu werfen. Es gibt einen Überblick über die Geschichte des Begriffs, diskutiert die Gründe für die aktuelle Überbetonung und versucht einen Kulturbegriff zu entwickeln, der sich nicht an dominant hochstehend und banal, klassisch und unterhaltend orientiert. Leicht und witzig geschrieben, bietet dieses Buch nicht nur eine Horizonterweiterung unseres Kulturverständnisses, sondern auch eine intellektuelle Lockerungsübung, die man nur empfehlen kann. Aber Achtung, Aldous Huxley hat uns gewarnt: "Die Kultur ist ein sehr dünner Firnis, der sich leicht in Alkohol auflöst." (Verlagstext) Rezensionen:
Mayer, Ruth. 2001. Literaturen, 9, 98-99; und: Heidbrink, Ludger. 2001.
DIE ZEIT, 40, 45. Kommentar: Kritik am Kulturbegriff, der im westlichen Verständnis zu universell und in Stammesgemeinschaften und Sub-Kulturen zu partikularisch gefasst wird. Nach Eagleton hängt die Zukunft der Kultur davon ab, inwieweit es ihr gelingt, aus der Sackgasse der Identitätspolitik und Daseinsverschönerung herauszukommen und neue soziale Gemeinsamkeiten zu erzeugen. Die Kultur muss wieder zu einem Medium immanenter Kritik' werden, indem sie der Gesellschaft den Spiegel vorhält und sie an Normen misst, die sie selbst hervorgebracht hat'. Dabei mangelt es den Ausführungen jedoch an konkreten Gegenkonzepten, die einen Weg aufzeigen, wie die Kultur ihren ursprünglichen Charakter als Spiegel der Gesellschaft' wiedergewinnen könnte. (M.M.) * * * * *
Erd,
Rainer u.a. (Hgg.). 1989. Kritische Theorie und Kultur. Frankfurt am Main:
Suhrkamp. Stichwörter:
Kritische Theorie, Praxis und Praxisrelevanz der Kritischen Theorie, kulturelle
Produktion, Antagonismus von Kunst und Kulturindustrie Abstract:
Alle Autoren dieses Bandes stehen nicht für den mainstream des in
den letzten Jahren aufgebauschten Kulturbetriebs, sondern versuchen, Sperrgut
zu produzieren, das diesen in Frage stellt. Als inhaltliche Gemeinsamkeit
schält sich aus diesen Beiträgen das Festhalten an den essentials
der Kritischen Theorie heraus. (Aus der Einleitung). Die in diesem Band
enthaltenen Beiträge von Wissenschaftlern, Künstlern, Journalisten
und Politikern sind erste Reflexionen (1989) über Entwürfe einer
Theorie, die paradoxerweise die Beeinflußbarkeit der "verwalteten"
Welt weitgehend ausschloß. Kommentar: Unter verschiedenen Aspekten (medienwissenschaftlich, historisch, soziologisch, technisch, künstlerisch) wird die Wirkungsgeschichte der Kritischen Theorie auf Kunst, Kultur, Industrie, Individuum und Gesellschaft und deren Interdependenzen beleuchtet. (M.M.) * * * * *
Geyer, Carl-Friedrich. 1994. Einführung in die Philosophie der Kultur. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Textauszug: Von der Philosophie als einer Orientierungswissenschaft sui generis zu sprechen ist angesichts des ungebrochenen idealistischen Erbes der Geisteswissenschaften eine zwar verständliche, aber doch auch offensichtliche Überforderung. Auf sie reagiert bezeichnenderweise eine Unterforderung, die gegenwärtig unter anderem in der sogenannten Kompensationstheorie ihren Ausdruck findet. Dadurch, daß diese die Geisteswissenschaften als Akzeptanzwissenschaften' in den unterschiedlichen Modernisierungsprozessen nur zum Schein aufgehen läßt, sie aber in Wahrheit mit Legitimationsabsichten den von politisch-kulturellen Zwecksetzungen befreiten technokratischen Modernisierungen hierarchisch verordnet, wird die beschworene Orientierungsfunktion zu einem bloßen Wort. Wenn Kultur, reflexiv geworden, wesentlich darin besteht, innerhalb einer bestimmten Zivilisation - in diesem Falle der technisch-wissenschaftlichen - Grundorientierungen im Blick auf Identitätsbildung und Identitätsbewußtsein auszubilden, dann kann hinsichtlich der sich selbst in dieser Weise verstehenden Geisteswissenschaften nur von einer partiellen, und das heißt hier affirmativen Orientierung die Rede sein. Zwar machen sie die technisch-wissenschaftliche Welt dem Menschen im Sinne applaudierender Zustimmung verstehbar. Diejenigen Selbst- und Weltverhältnisse, die neben unmittelbarer Daseinsdeutung auch Maßstäbe der Kritik vorgeben, werden dabei jedoch ausgeblendet. Haben die Geisteswissenschaften mit dem Ende des logozentristischen Systemdenkens ihre Entscheidungskompetenz verloren, so verlieren sie in ihrer Reduktion auf simple Akzeptanzforschung zusätzlich auch ihre Urteilsfähigkeit. Es bleibt eine vage Wahrnehmungsfähigkeit. Noch W. Dilthey, einer der Begründer der modernen Geisteswissenschaften, betonte, daß diese die Erkenntnis dessen, was ist, mit derjenigen dessen, was sein soll, verknüpfen. Die aus dem Willen entsprungenen Ordnungen werden in diesen Wissenschaften nicht nur erkannt als das, was sie sind, sondern auch im Sinne ihrer Zwecke geregelt. Wahrheit und Falschheit genügen daher keineswegs als Kriterien geisteswissenschaftlicher Erkenntnis. Sie beschreiben lediglich Vorgegebenes, fragen aber nicht nach den jeweiligen normativen Absichten, die nach den Kriterien von richtig oder unrichtig beurteilt werden müssen. Hier steht Akzeptanz gegen Relevanz. Zwischen Hyperrationalisierung [die Geistes-'Wissenschaft'] einerseits und simpler Akzeptanz kontingenter Wirklichkeiten andererseits bezeichnet den Ort der Philosophie im Sinne solcher Orientierung die sowohl integrative wie grenzüberschreitende Analyse der Kultur, wobei "Kultur" für den Inbegriff aller menschlichen Arbeit [theoretischer wie praktischer Natur] sowie aller aus ihr ableitbaren Lebensformen steht. Die einzelnen Fachwissenschaften als Ergebnisse solcher Arbeit sind dabei selbstredend einzubeziehen. Nicht die erkenntnistheoretische oder wissenschaftsanalytische Begründung dieser Wissenschaften macht sie zum Gegenstand philosophischen Nachdenkens, sondern ihre Teilhabe an der kulturellen Form der Welt, das heißt der Weise, in der "Welt" überhaupt "gegeben" ist. (111-112) Kommentar:
Auf knapp 160 Seiten, zuzüglich 30 Seiten Anmerkungen sowie einem
umfangreichen Literaturverzeichnis und einem Personenregister, bietet
Geyer ein Kompendium der Reflexion über Kultur (vor allem) im 19.
und 20. Jahrhundert. Dem komplexen ersten Teil, der unter den Überschriften
"Zur Phänomenologie des Kulturbegriffs", "Problematisierungen:
Zwischen konservativer Kulturkritik und Postmoderne" und "Kulturphilosophie
als reformulierte Transzendentalphilosophie" in das Thema einführt,
folgt ein "Positionen" betiteltes Kapitel, das "auf unterschiedlicher
Ebene [den] Zusammenhang von Kultur und Kritik sichtbar" machen soll
(3) - und dies auch leistet. In Einzeldarstellungen geht Geyer darin auf
Franz Overbeck, Georg Simmel, Arnold Gehlen, Theodor W. Adorno, Peter
Weiss, Pier Paolo Pasolini und Peter Sloterdijk ein; die thematische Spannweite
umfaßt den "Gegensatz von Christentum und Kultur" ebenso
wie den "Rekurs auf das Unbegriffliche" oder die Opposition
"Ästhetizismus versus gesellschaftliche Praxis". Dem historischen
Blick auf Positionen folgt die politische Diskussion von "'Kultur'
im Kontext gegenwärtiger Selbst- und Weltverhältnisse":
"Orientierung durch Philosophie?", "Das prognostizierte
'Ende der großen Entwürfe'", "Zum Stichwort 'Fundamentalismus'
und "Anmerkungen zu Theorie und Praxis multikultureller Gesellschaften"
lauten einige der von Geyer aufgegriffenen Themen. Der Schluß des
Buches ist Überlegungen zu "Lebensorientierung und Handlungsnormierung
im Kontext konkurrierender Kulturbegriffe" reserviert. Hier verweist
der Autor noch einmal explizit auf das praktische Interesse, das Philosophie
als ein "Diskurs auf der Grenze" verfolgt: "Es geht hier,
wie in aller diskursiven Aufnahme der Wirklichkeiten, in denen wir leben,
um die aristotelische Frage nach dem gelungenen Leben" (154). * * * * *
Gil,
Thomas. 1990. Kulturtheorie. Ein Grundmodell praktischer Philosophie.
Frankfurt
am Main: R. G. Fischer. Schlagwörter:
Kulturtheorie, Geschichtsphilosophie, Handlungstheorie, Ästhetik,
Vernunft, Hegel, P. Bürger, P. Bourdieu Abstract:
Die Arbeit will ein paradigmatisches Grundmodell praktischer Philosophie
zur Diskussion stellen, innerhalb dessen eine begrenzte verallgemeinerungsfähige,
mehr als formale und den thematisierten Sachverhalten angemessene Vernunft-,
Geschichts- und Handlungskonzeption entwickelt werden kann. Die Kulturtheorie
versteht sich als Nachfolgetheorie der Geschichtsphilosophie. In einer
entteleologisierten Vernunft sieht sie das praktische Grundvermögen
der menschlichen Gattung, durch das Kultur und kulturelle Formationen
entstehen, und die reflexive Gattungskompetenz, die eine Thematisierung
der entstandenen Kulturgebilde und -sphären allererst ermöglicht. Kommentar: Die Vernunft wird als Grundinstanz gesehen, von der aus Begriffe wie Kulturwelt' und kulturelle Formation' bestimmt werden können, wodurch der Begriff der Kultur' aus einer rein schöngeistigen Fessel gelöst und in einen prozessualen Kontext mit der geschichtlich wirkenden Vernunft gestellt wird. (M.M.) * * * * *
Hanrahan, Nancy Weiss. 2000. Difference in Time: A Critical Theory of Culture. Westport, London: Praeger. Kommentar:
Hanrahan, Jahrgang 1954, außerordentliche Professorin für Soziologie
an der George Mason University, begann die Arbeit an diesem Buch, als
sie noch Programmleiterin von New Jazz at the Public war, einer Konzertreihe
für Jazz und experimentelle Musik in New York. * * * * *
Haug, Walter. 1999. "Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft?". Deutsche Vierteljahrsschrift, 73, 69-93. Kommentar:
"Die Literaturwissenschaft hat in einem Maße Probleme mit ihrem
Selbst-verständnis, wie dies für kein anderes Fach zuzutreffen
scheint" lautet die phrase d'accès dieser skeptisch-kritischen
Auseinandersetzung des Tübinger Mediävisten mit dem jüngsten
Paradigma der Literaturwissenschaften: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft
- ein Paradigma, das sich, so Haug, nahtlos an die "Als'-Metamorphosen"
anschließt, zu denen die Literaturwissenschaftler "geradezu
periodisch" ihr Fach "umetikettiert" haben, als da wären:
"Literaturwissenschaft als Geistesgeschichte, Literaturwissenschaft
als Sozialgeschichte, Literaturwissenschaft als Psychoanalyse, Literaturwissenschaft
als Ideologiegeschichte, Literaturwissenschaft als Mentalitätengeschichte".
Den neuesten "Trend" nimmt Haug nun zum Anlaß zu fragen,
warum "Literaturwissenschaft nicht Literaturwissenschaft sein"
darf, d.h. eine Wissenschaft, "die eine ihrem Gegenstand, der Literatur,
entsprechende Methode des Zugriffs und des Verstehens zu entwickeln und
zur Anwendung zu bringen vermag" (69). * * * * *
Heidenreich, Stefan. 1999. "Unterscheiden statt urteilen. Kritik als Differenzagent". Neue Rundschau, 2/1999, 33-43. Schlagworte:
Unterschiede in der Kultur, Kulturkritik als Unterscheidungsmerkmal, Staatskultur,
Institutionskultur, Populäre Kultur Abstract: Wie
man über das spricht, was jeweils Kultur sein soll, hängt davon
ab, welche Stelle die Kritik innerhalb des kulturellen Zusammenhangs einnimmt.Die
Entwicklung von Komplexität vollzieht sich bei der Staatskultur in
institutionalisierten Bahnen, bei der Pop-Kultur entwickelt sie sich entlang
des Publikumsgeschmacks und der Publikumsreaktionen. Kommentar: Die Unterscheidung guter von schlechter Musik macht für Heidenreich keinen Sinn, da diese Qualitätskategorie rein subjektiv ist, daher sucht er nach einem objektiven Unterscheidungsmerkmal, denn dass es Unterschiede ("E" und "U") gibt, ist für ihn unstrittig. Heidenreich geht daher von "zwei unterschiedlichen Sprachen der Kulturkritik" aus, wobei er zwischen Staatskultur und populärer Kultur unterscheidet (Kriterium sind z.B. die Förderung, die Institutionalisierung bzw. marktwirtschaftlicher Erfolg). (M.M.) * * * * *
Hetzel, Andreas. 2001. Zwischen Poiesis und Praxis. Elemente einer kritischen Theorie der Kultur. Würzburg: Königshausen & Neumann. Stichwörter: Kulturbegriff, Grenzen der Kultur, kultureller Raum, kulturelle Zeit, Kultur als Metapher, Performativ und Affirmative Praxis, Handlungstheorie, C. Geertz, M. Foucault, P. Bourdieu, G. Simmel, W. Benjamin, M. Horkheimer, T.W. Adorno, C. Castoriadis, J. Baudrillard Abstract: Vor dem Hintergrund des cultural turn fragt die Arbeit nach dem Verständnis von "Kultur", das die gegenwärtigen Kulturwissenschaften leitet. Der Autor kritisiert eine objektivistische und identitätslogische Ausrichtung der aktuellen Kulturtheorien. Statt Kultur weiterhin als musealen Traditionsbestand, Text, Archiv, symbolische Form oder Summe kultureller Güter zu konzipieren und sie somit letztlich zu naturalisieren, plädiert er für eine Lesart von Kultur als individueller, zwischen Poiesis und Praxis schwebender Tätigkeit, die Sinnhorizonte kritisch transformiert. Historisch knüpft er dabei an das Kulturdenken der deutschen Idealisten, Georg Simmels, Walter Benjamins, Theodor W. Adornos und Jacques Derridas an. In systematischer Hinsicht expliziert er den spezifischen Charakter kultureller Praxis über die Figuren einer selbstbezüglichen Negativität (Metapher), einer vorbildlosen Produktivität (Performativ) und eines zulassenden bzw. medialen Tuns (Affirmativ). Man kann die Überlegungen des Autors auch unter der Leitfrage zusammenfassen: Wie ist Kultur heute möglich? (Verlagstext) Kommentar: Hetzel geht der Frage nach, was in einer Zeit in der alles (zumindest potenziell) zur Kultur geworden ist, dann eigentlich noch genuin kulturell ist. Die Entdifferenzierung des Kulturbegriffs läßt sich genau dann auflösen, wenn man kulturelle Differenz in die Kultur selbst einbringt, d.h. Kultur muss eine Differenz zu sich aus sich selbst heraus erzeugen. Kultur fällt dann zusammen mit der Kritik ihrer selbst. Ob, wann und was Kultur ist, kann nicht von außen oder vorab bestimmt werden, sondern muss sich immer wieder gleichsam von innen, aus jedem kulturellen Phänomen selbst heraus zeigen.Nicht über die Frage, was sie ist, lässt sich Kultur erschließen, sondern nur darüber, was sie tut. (M.M.) * * * * *
Konersmann,
Ralf (Hg.). 2001. Kulturkritik. Reflexionen
in der veränderten Welt. Leipzig: Reclam. Stichwörter:
Kulturkritik, Reflexionen, literarische Praxis, Studienbuch, Anthologie Abstract:
Obwohl die Kulturkritik als literarische und philosophische Praxis vielseitig
zum Einsatz kommt, liegt bis heute keine Theorie der Kulturkritik vor
- auch keine Geschichte oder eine Bestandsaufnahme, die zumindest die
wichtigsten Namen und Fakten zusammentrüge. Diese Anthologie zieht
erstmals eine markante Linie durch die theoretischen Bestände, benennt
Zäsuren und dokumentiert eine kritische Theoriegeschichte der Kulturkritik.
"Kulturkritik ist Kritik der Kultur im Namen der Kultur." Ein
Studienbuch mit Texten von Roland Barthes, Walter Benjamin, Ernst Cassirer,
Johann Wolfgang Goethe, Max Horkheimer, Ralf Konersamnn, Diogenes Laertius,
Friedrich Nietzsche, Jean-Jacques Rosseau, John Ruskin, Friedrich Schiller,
Gustav Seibt, Georg Simmel. (Klappentext) Kommentar: "Zeitreise" durch die Kulturkritik - verstanden als Kritik der Intellektuellen am jeweiligen Zeitgeschehen - anhand von ausgewählten Texten von Diogenes bis Cassirer. Die Kulturkritik wird als charakteristisch moderne Form der Weltbetrachtung gesehen - daher auch der Untertitel der Anthologie: Reflexionen in der veränderten Welt. (M.M.) * * * * *
Lipp,
Wolfgang. 1994. Drama Kultur (2 Teile, Teil 1: Abhandlungen zur Kulturtheorie.
Teil 2: Urkulturen, Institutionen heute, Kulturpolitik - Exemplarische
Analysen). Berlin: Duncker & Humblot. Schlagworte:
Soziologie als Kultursoziologie, Kulturtheorie, Kulturpolitik Abstract: Die
Wirklichkeit als Drama zu verstehen, setzt die Bereitschaft zu interdisziplinärer
Arbeit voraus. Dass Kultur dramatologisch strukturiert ist, erschließt
sich nicht aus isolierten einzelwissenschaftlichen Perspektiven; es erschließt
sich aus der Fächerüberschneidung, und neben Soziologie, der
Psychologie (Sozialpsychologie) und den Politikwissenschaften sind es
namentlich die Kulturanthropologie (Ethnologie, Volkskunde), die Kulturgeschichte,
die Literaturwissenschaft, die den Beiträgen hier Tiefenschärfe
geben. Kommentar: Es geht darum, der Soziologie eine Dimension von Kultur zugrunde zu legen und diese Dimension dramatologisch zu entschlüsseln. Dabei dürfen "Gesellschaft" (und deren Struktur) und "Kultur" nicht antithetisch gegenübergestellt werden, sondern müssen in ihrer gegenseitigen Bedingung und Verknüpfung gesehen werden. (M.M.) * * * * *
Mahnkopf,
Claus-Steffen. 1998. "Kritische Gesellschaftstheorie ohne Kulturkritik?
Einlassung
zum Arbeitsprogramm des Instituts für Sozialforschung". Zeitschrift
für Kritische Theorie, 4, Nr. 7, 5-10. Schlagwörter:
Kritische Theorie, Kulturindustrie (Dialektik der Aufklärung),Habermas,
Luhmann Abstract:
Frage: "Kann Kultur als Gegenstand der Forschung , Kulturkritik als
integraler Bestandteil von Gesellschaftsanalyse ausgeklammert werden?"Mahnkopf
bemängelt, dass das Arbeitsprogramm des Instituts für Sozialforschung
kulturkritische Fragestellungen weitestgehend unberücksichtigt lässt.
Zeigt vier Auswirkungen des Fehlens der kulturkritischen Fragen: 1. Demokratisches
Persönlichkeitsmuster wird kaum auf seine gesellschaftspartizipatorische
Kompetenz hin untersucht (Selbstvertrauen). 2. Intimbeziehungen werden
nicht mit konkreten kulturellen Inhalten gefüllt. 3. Geschlechterverhältnis
wird lediglich formal definiert (Freiheitsrechte). 4. Kulturkompetenz
auf dem Gebiet der Arbeit Kommentar: Einlassungen, aber keine Erörterung; keine eigenständigen Ansätze. (M.M.) * * * * *
Meier-Seethaler, Carola. 1989. Ursprünge und Befreiungen: Eine dissidente Kulturtheorie. Zürich: Arche Verlag. Stichwörter: Gender, Patriarchat, Matrizentrismus, Psychoanalyse, Rollen-Stereotypen, Emanzipation, Kulturtheorie Abstract:
Taschenbuch ist erschienen mit dem Untertitel: "Die sexistischen
Wurzeln der Kultur".Archäologische und ethnologische Untersuchungen
förderten immer mehr Wissen über Lebensformen zutage, die entscheidend
von Frauen geprägt waren - von Frauen, die nicht nur als Mütter,
sondern geistig und organisatorisch im Zentrum kultischer und sozialer
Zusammenhänge standen. Nach jahrelanger Beschäftigung mit kulturhistorischen,
ethnologischen und sozialpsychologischen Studien wagt die Autorin den
eigenwilligen Entwurf einer neuen Kulturtheorie: Die menschliche Kultur
hat, so ihre These, ihren Ursprung in matrizentrischen Kulturen, in denen
die Autorität von Frauen nicht auf Herrschaft, sondern auf deren
magisch-religiöser Aura beruhte.Das Patriarchat hat seinen Ursprung
in der Rebellion der Männer gegen ihre anfängliche Zweitrangigkeit.
Herrschaft, Krieg und Ausbeutung sind keine Grundbegebenheiten des menschlichen
Lebens, sondern die Folgen männlicher Überreaktion und Kompensation.
Befreiungen zur Partnerschaft nennt die Autorin die individuellen, politischen
und kulturellen Konsequenzen einer Patriarchatskritik, deren Ziele sehr
konkret und aktuell sind. (Verlagstext) Kommentar: Meier-Seethaler erweitert die - aus ihrer Sicht - einseitig männlich und europäische Ausrichtung der Psychoanalyse um feministische und ethno-psychoanalytische Perspektiven. Hier beschreibt sie die Notwendigkeit der beiderseitigen Emanzipation, also sowohl des Mannes als auch der Frau - und liefert dabei nebenbei eine kleine (psychoanalytisch geprägte) Geschichte der Kulturtheorien. Sie charakterisiert Ansätze, die beim etablierten Patriarchat einsetzen, als zu kurz greifend und als zu spät ansetzend, da sie die (matrizentrische) Frühgeschichte außer Acht lassen. (M.M.) * * * * *
Müller-Funk, Wolfgang. 2001. "Kultur, Kultur. Anmerkungen zu einem Zauberwort". Merkur, 55/8, 717-723. Kommentar:
Das Asyndeton des Titels kündigt ein Problem vor allem der ersten
Hälfte dieses Textes an. Dort werden die verschiedenen Konzepte von
Kultur - des Begriffes und der Sache - unverbunden nebeneinandergestellt,
ohne einen Versuch zu wagen, einen, im alten Sinne des Wortes, 'tüchtigen'
Kulturbegriff daraus zu synthetisieren. Der bloße Aufweis des Faktischen
mag als kompilatorische Arbeit verdienstvoll sein, bringt an sich aber
keinen Erkenntnisgewinn. * * * * *
Nünning, Ansgar (Hg.). 1998. Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze - Personen - Grundbegriffe. Stuttgart, Weimar: Metzler. Schlagwörter:
Nachschlagewerk, Überblicksdarstellung, Literaturtheorie, Kulturtheorie,
Theoriebildung, , Medienkulturwissenschaft, Porträt Abstract: Das "Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie" bietet mit mehr als 700 Artikeln einen kompakten Überblick über die Vielfalt der literatur- und kulturwissenschaftlichen Ansätze. Es erläutert die zentralen Grundbegriffe und verschafft einen Zugang zu den Theoretikern, die die Debatten geprägt haben. Für die zweite Auflage wurde das Lexikon umfassend aktualisiert und um rund 130 Artikel erweitert, die aus verschiedenen Bereichen der Literatur- und Kulturtheorie, insbesondere aus der Medientheorie und der Geschichtstheorie, stammen oder aber interdisziplinäre und intermediale Aspekte der Theoriebildung berücksichtigen. Im Zentrum steht die moderne Literaturtheorie, die durch literaturgeschichtliche Überblicksartikel auch in ihrer historischen Entwicklung erschlossen wird. Neben textzentrierten und traditionellen Methoden wird eine Vielzahl von autoren-, leser- und kontextorientierten Ansätzen in einem internationalen und interdisziplinären Zusammenhang vorgestellt. Umfassend berücksichtigt werden vor allem kultur- und medienwissenschaftliche Ansätze sowie neuere Entwicklungen wie Dekonstruktion, Diskurstheorie, feministische Theorien und Geschlechterforschung, Konstruktivismus, New Historicism, Mentalitätsgeschichte, postkoloniale Literaturkritik, Poststrukturalismus. In Form von Autorenporträts werden die wichtigsten Theoretiker/innen (von Aristoteles bis Hayden White) und ihre Werke vorgestellt. Die von ihnen geprägten Begriffe (von Appellfunktion bis Zirkulation) werden in über 350 Sachartikeln erklärt. (Verlagstext). Rezensionen: "Dieses Lexikon ist eine nützliche Sache, eine Studienreform im kleinen, die einem in den achtziger Jahren manches ratlose Semester hätte ersparen können. Es gehört auf den Gabentisch jedes Erstsemesters." (Die Zeit) "Was verdanken wir Walter Benjamin? Wie denken Dekonstruktionisten? Ist die Postmoderne wirklich tot? Hier steht´s. Nützlich." (Die Woche) "Die schwierige Aufgabe, komplexe Zusammenhänge in wenige Zeilen zu pressen, ist gut gelöst ... ein Kompass in Form eines kompakten Lexikons." (Neue Zürcher Zeitung) "Lexika sollten der übersichtlichen Vergegenwärtigung von in komprimierter Form präsentierten Fakten und Termini, Personen und Daten, kurz: von Wissen dienen. Das vorliegende Lexikon leistet dies und noch etwas anderes: Es verleitet zum Schmökern. Man mag es nicht mehr aus der Hand legen." (Referatedienst zur Literaturwissenschaft) "Ein vorzügliches neues Nachschlagewerk .... viele gut sortierte und gebündelte Aufschlüsse ... ein ungemein praktisches Hilfsmittel." (Kölner Stadt-Anzeiger) "Eine gut zugängliche und allgemein verständliche Informationsquelle ... der Aufbau des Lexikons ist glänzend durchdacht. ... Ein auf dem deutschen Buchmarkt geradezu überfälliges Nachschlagewerk, das bestens geeignet ist, zu einem unverzichtbaren Standardwerk zu werden." (Anglia) "Man muß diesem Lexikon ein Lob machen, das für die Gattung nicht unbedingt üblich ist: Es ist ein intellektuelles Vergnügen, sich von Artikel zu Artikel zu lesen, im tatsächlichen Sinn darin zu lesen - selbst das ist mit Gewinn und Genuß möglich. Die inhaltliche Breite der Artikel, ihre geschickte Vernetzung, ihre gute Lesbarkeit, ausführliche Literaturangaben, das intelligente Konzept und der durchaus bezahlbare Preis lassen nur eine Empfehlung zu: Unbedingt anschaffen!" (Information Deutsch als Fremdsprache 27,2/3 (2000)) "Insgesamt ein hervorragend gemachtes, fast ist man versucht zu sagen, unverzichtbares Handbuch für jene, die sich mit den theoretischen Strömungen gegenwärtiger Kulturwissenschaft befassen." (Kea: Zeitschrift für Kulturwissenschaft 12 (1999)) "Man darf es vorwegnehmen: rundum, bis in die gründlich geprüften Details hinein, hochwertig brauchbar, nützlich für viele Benutzergruppen (besonders avancierte Schüler, Studenten, Lehrer aber auch Fachfremde), die sich in der [...] Unübersichtlichkeit über gerade auch neueste Entwicklungen informieren können. [...] Als kritischer Benutzer hat man das Gefühl, in kompetente Hände geraten zu sein; man darf annehmen, daß es die Handschrift des Herausgebers ist, die für Niveau sorgt. Insgesamt für Verlag und Herausgeber (auch für die Benutzer): Congratulations!" (Wissenschaftlicher Literaturanzeiger 38,2 (1999)) "Es ist für alle in irgendeiner Form im Kulturbetrieb Engagierte - v.a. auch durch die Querverweise - ein geradezu spannend zu lesendes Buch, das ein anschauliches Panorama des aktuellen und internationalen kulturwissenschaftlichen ´Diskurses´ vermittelt." (Literatur in Wissenschaft und Unterricht XXXII,4 (1999)) "Insgesamt liegt hier ein nützliches, interessantes und gut lesbares Nachschlagewerk vor, dessen Anschaffung für Studierende unabdingbar ist, in dem aber auch Fortgeschrittene gerne und mit Gewinn blättern werden." (Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 40 (1999)) "Es ist uneingeschränkt zu empfehlen für alle diejenigen, die sich für Literaturwissenschaft und Kulturtheorie interessieren." (Der Fremdsprachliche Unterricht 43 (2/2000)) "Als einer geglückten Kombination von Autoren- und Begriffslexikon dürfte dem vielfältig anregenden, umfassenden und zugleich handlichen Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie ein Platz im unverzichtbaren Informationsbestand einer jeden Universitätsbibliothek, aber auch jeder größeren öffentlichen Bibliothek sicher sein." (IFB 7,1/4 (1999)) Aber
man kann dem Lexikon ein noch größeres Kompliment machen: Es
eignet sich für Theorieinteressierte [...] wunderbar als Lesebuch.
Es erlaubt einem, ein breites und hochaktuelles Spektrum der Theorieentwicklung
als Panorama zu betrachten, und wer will, der kann dies Schmökern
auf höchstem Niveau´ nennen. Und noch etwas muß man dem
Lexikon zusprechen. Es überblickt die Theorieentwicklung der letzten
Jahrzehnte und Jahre; und es kann einen Impuls für weitere Theorieentwicklungen
geben, weil es Studierenden den oft schweren Zugang zur Theorie erleichtert
und so künftige Theoretiker rekrutieren hilft. (Literaturkritik.de) Kommentar: Ist als Orientierungshilfe innerhalb eines inzwischen sehr breit gefächerten Sach- und Begriffsfeldes konzipiert. Bindet in die Darstellung auch übergreifende Theorieentwürfe (wie z.B. Foucaults Diskursanalyse, Luhmanns Systemtheorie, Derridas Sprachkritik, Bourdies Gesellschaftstheorie) ein und folgt damit der interdisziplinären Struktur der Kulturwissenschaft. Das Lexikon liefert sowohl Überblicksartikel als auch die Darstellung einzelner Theorien und deren Autoren. Durch die Neuauflage im Jahr 2001 befindet sich diese Orientierungshilfe auf einem aktuellen Stand, der die Entwicklung der drei Jahre seit der Ersterscheinung berücksichtigt und in über 100 neu hinzugefügten Artikeln aufgreift. (M.M) * * * * *
Schweppenhäuser,
Hermann. 1972. Tractanda. Beiträge zur kritischen Theorie der Kultur
und Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Schlagwörter:
Kritische Theorie Abstract:
Um einen ersten Eindruck dieses Textes zu gewinnen seien hier zunächst
die einzelnen Kapitelüberschriften aufgelistet: Der Begriff des intelligiblen
Charakters Schopenhauers / Kritik der Kantschen Moralphilosophie / Wiedergutmachung
an Nietzsche / Über eine Kritik der neueren Ontologie / Dialektische
Theorie und Kritik der Gesellschaft / Diskontinuität als scheinkritische
und als kritische gesellschaftstheoretische Kategorie / Zum Widerspruch
im Begriff der Kultur / Zum Verhältnis von Staat und Kunst / Klassische
und neue Moderne / Mythisches und historisches Katastrophenbewußtsein Kommentar: Anfang der 70er Jahre veröffentlicht ist dieser Band sehr der Frankfurter Schule verbunden. (M.M.) * * * * *
Seeba,
Hinrich C. 1998. "Kulturkritik: Objekt als Subject'. Diskussionsbeitrag
zum Gegenstand
der Literaturwissenschaft". Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft,
41, 495-502. Stichwörter:
Germanistik, Geschichte der Germanistik, deutsch-amerikanischer Vergleich Abstract:
Womit beschäftigt sich die Germanistik, was ist ihr Gegenstand. In
welchem Verhältnis stehen Objekt und Subjekt der Literaturwissenschaft
zueinander ? Neigt die Germanistik dazu, sich vor den Karren' der
Nachbardisziplinen spannen zu lassen und wird sie im Zuge von interdisziplinären
und integrierenden Untersuchungen nicht ganz vereinnahmt? Kommentar: Seeba geht der Objekt-Subjekt-Beziehung der Literaturgeschichte innerhalb der Kulturkritik bzw. -geschichte nach. Wann ist Literatur Disziplin der Kulturgeschichte und wann ist sie deren Gegenstand? Und was ist dann wiederum der Gegenstand der Literatur? Was zunächst wie ein erkenntnistheoretisches Problem erscheint, entwickelt sich bei Seeba im Zuge eines deutsch-amerikanischen Vergleichs der Literaturanalyse von einem erkenntnistheoretischen über ein semantisches Problem hin zu einem sprachtheoretischen. Der Gegenstand der Literaturwissenschaft scheint Seeba nicht verloren, sondern noch gar nicht gefunden zu sein. (M.M.) * * * * *
Seibt,
Gustav. 1999. Kulturkritik? Allerdings! Über Historisierung, kulturkritische
Diätetik und das Pathos des Stammhirns. Neue Rundschau, 110, Nr.
2, 23-32. Stichwörter:
Mensch und Natur, Verstädterung, Moralkritik, Historismus Abstract:
Die vormoderne Moral- und Sittenkritik ist regelmäßig ein städtisches
Problem. Den Musterfall einer solchen in der Stadt erst möglichen,
aber an den Werten eines ländlichen Kodex festhaltenden Sittenkritik
hat das antike Rom gebildet. Allerdings darf diese Art Moralkritik nicht
damit verwechselt werden, was heute Kulturkritik genannt wird. Die moderne
Kulturkritik erweist sich als ein Epiphänomen des im 18. Jahrhundert
entstehenden Historismus. Der Historismus als Denk- und Wahrnehmungsform
ist nun selbst das Resultat eines zivilisatorischen Verdichtungs- und
Beschleunigungsprozesses, der alle Lebensbereiche erfaßte und sichtbar
geschichtlich werden ließ. Kommentar: Ausgehend von muslimischen und griechischen Überlieferungen, gefolgt von Texten aus und über das antike Rom, beschreibt Seibt das gemeinsame Wachsen von Städten und Sittenkritik. Fortführend über das Mittelalter, bezeichnet er die alteuropäische Moralkritik als konservatives Bewerten des Verhaltens, nicht aber als Urteil über das Wertesystems selber. Und genau deshalb kann man die heutige Kulturkritik nicht als Fortsetzung dieses Sittenwächtertums sehen, sondern als eine während der Aufklärung entstandene Analyse des zivilisatorischen Prozesses. Dabei hat das Individuum in der Moderne die Freiheit erlangt, diese Prozesse nach seinen unterschiedlichen Bewußtseinsebenen einzuordnen und zu beurteilen. (M.M.) * * * * *
Sennett, Richard. 1998. Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin. Textauszug: Heute wird der Begriff "flexibler Kapitalismus" zunehmend gebraucht, um ein System zu beschreiben, das mehr ist als eine bloße Mutation eines alten Themas. Die Betonung liegt auf der Flexibilität. Starre Formen der Bürokratie stehen unter Beschuß, ebenso die Übel blinder Routine. Von den Arbeitnehmern wird verlangt, sich flexibler zu verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen zu sein, ständig Risiken einzugehen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren zu werden. Die Betonung der Flexibilität ist dabei, die Bedeutung der Arbeit selbst zu verändern und damit auch die Begriffe, die wir für sie verwenden. "Karriere" zum Beispiel bedeutete ursprünglich eine Straße für Kutschen, und als das Wort schließlich auf die Arbeit angewandt wurde, meinte es eine lebenslange Kanalisierung für die ökonomischen Anstrengungen des einzelnen. Der flexible Kapitalismus hat die gerade Straße der Karriere verlegt, er verschiebt Angestellte immer wieder abrupt von einem Arbeitsbereich in einen anderen. Das Wort "job" bedeutete im Englischen des 14. Jahrhunderts einen Klumpen oder eine Ladung, die man herumschieben konnte. Die Flexibilität bringt diese vergessene Bedeutung zu neuen Ehren. Die Menschen verrichten Arbeiten wie Klumpen, mal hier, mal da. Es ist nur natürlich, daß diese Flexibilität Angst erzeugt. Niemand ist sich sicher, wie man mit dieser Flexibilität umgehen soll, welche Risiken vertretbar sind, welchem Pfad man folgen soll. Um den Fluch vom Begriff "Kapitalismus" zu nehmen, wurden im letzten Jahrzehnt viele Umschreibungen kreiert, wie "freies Unternehmertum" oder "marktwirtschaftliches System". Heute wird der Begriff Flexibilität in diesem Sinne gebraucht. Mit dem Angriff auf starre Bürokratien und mit der Betonung des Risikos beansprucht der flexible Kapitalismus, den Menschen, die kurzfristige Arbeitsverhältnisse eingehen, statt der geraden Linie einer Laufbahn im alten Sinne zu folgen, mehr Freiheit zu geben, ihr Leben zu gestalten. In Wirklichkeit schafft das Regime neue Kontrollen, statt die alten Regeln einfach zu beseitigen - aber diese neuen Kontrollen sind schwerer zu durchschauen. Vielleicht der verwirrendste Aspekt der Flexibilität ist ihre Auswirkung auf den persönlichen Charakter. In der Geistesgeschichte bis zurück in die Antike gibt es kaum einen Zweifel an der Bedeutung des Wortes Charakter: es ist der ethische Wert, den wir unseren eigenen Entscheidungen und unseren Beziehungen zu anderen zumessen. Horaz hat geschrieben, daß der Charakter eines Menschen von seinen Verbindungen zur Welt abhängt. In diesem Sinne ist Charakter ein umfassenderer Begriff als sein moderner Nachkomme, die Persönlichkeit, bei der es auch um Sehnsüchte und Gefühle im Inneren geht, die niemand anderes erkennt. Der Charakter konzentriert sich insbesondere auf den langfristigen Aspekt unserer emotionalen Erfahrung. Charakter drückt sich durch Treue und gegenseitige Verpflichtung aus oder durch die Verfolgung langfristiger Ziele und den Aufschub von Befriedigung um zukünftiger Zwecke willen. Aus der wirren Vielfalt von Empfindungen, mit der wir alle uns jederzeit herumzuschlagen haben, wählen wir einige aus und versuchen sie aufrechtzuerhalten. Diese nachhaltigen Züge werden zum Charakter, es sind die Merkmale, die wir an uns selbst schätzen und für die wir den Beifall und die Zuwendung der anderen suchen. Wie aber können langfristige Ziele verfolgt werden, wenn man im Rahmen einer ganz auf das Kurzfristige ausgerichteten Ökonomie lebt? Wie können Loyalitäten und Verpflichtungen in Institutionen aufrechterhalten werden, die ständig zerbrechen oder immer wieder umstrukturiert werden? Wie bestimmen wir, was in uns von bleibendem Wert ist, wenn wir in einer ungeduldigen Gesellschaft leben, die sich nur auf den unmittelbaren Moment konzentriert? Dies sind die Fragen zum menschlichen Charakter, die der neue flexible Kapitalismus stellt (10-12). Kommentar:
In acht Kapiteln ("Drift. Wie persönliche Erfahrung in der modernen
Arbeitswelt zerfällt"; "Routine. Ein Übel des alten
Kapitalismus"; "Flexibilität. Die neue Strukturierung der
Zeit"; "Unlesbarkeit. Warum moderne Arbeitsformen schwer zu
durchschauen sind"; "Risiko. Warum Risiken auf sich zu nehmen
verwirrend und deprimierend geworden ist"; "Das Arbeitsethos.
Wie sich das Arbeitsethos gewandelt hat"; "Scheitern. Wie man
mit dem Scheitern fertig wird"; "Das gefährliche Pronomen.
Gemeinschaft als Mittel gegen Drift") untersucht Sennett, wie eine
"Arbeitswelt voller Drehtüren" (151) den Menschen verändert.
(Der Originaltitel seines Memorandums lautet: The Corrosion of Character).
Die Frage, ob die neuen Wirtschaftsmethoden eine Verbesserung für
die Arbeitnehmer' - auf das Irreführende dieses Begriffs hat
Andersch u.a. hingewiesen - mit sich bringen, beantwortet der Soziologe
negativ: "In dieser konkurrenzgeprägten Szenerie räumen
die Erfolgreichen den Spieltisch ab, während die Masse der Verlierer
das Wenige teilt, was übrigbleibt. [...] Ohne ein bürokratisches
System, das Wohlstandszuwächse innerhalb einer Hierarchie verteilt,
streben die Gewinne zu den Mächtigsten; in regellosen Institutionen
werden die, die in der Lage sind, alles zu nehmen, dies auch tun. Die
Flexibilität verstärkt die Ungleichheit" (119). Der Zynismus
des hire & fire kommt in dem Satz eines consultants zum Ausdruck:
Sobald Angestellte "verstehen [daß sie sich nicht auf die Firma
verlassen können], sind sie marktgängig" (29). * * * * *
Texte
zur Kulturkritik, Band 1. 1988. Rolf
F. Schütt: Am schnellsten vermehrt sich die Unfruchtbarkeit: Essays
zur Multi-Kulturlosigkeit mit Rückblick auf das 21. Jahrhundert.
Oberhausen: Athena Verlag. Schlagwörter:
Kulturlosigkeit, Essay, Satire, Multikulturalismus, Abstract:
Der Band bietet Modelle kritischer Reflexion, eine Auswahl von Aufsätzen
zu kulturellen Fragen, die aktueller sein sollten, als sie es sind. Was
sagt die religiöse Vernunft zu den Jahrtausenden bisheriger Leistungskultur?
Kann man für den lebenden Arbeiter und gegen das Arbeitsleben argumentieren?
Geht es "zurück zur Natur" des Menschen oder vorwärts
zur Intellektualkultur? Was hat Kunst mit dem 1. Gebot Gottes zu schaffen?
Hat Plato Recht und wahre Kunst mit Wahnsinn zu tun? Geht in den Köpfen
von Autor und Leser das gleiche vor? Kann man für "Schundromane"
(Handlungen ohne Abhandlungen) und für avancierte "Eliteratur"
zugleich plädieren? Lassen sich Dichter und Sprachkunstwerke psychoanalysieren,
ohne sie zu vergewaltigen? Leben Künstler auf Galerien oder Galeeren?
Was spricht für Touristen und gegen Nomaden? Ist Buddha im Westen
ein Neurotiker? Vive la petite différence: Was verbindet
den Philosophen Adorno mit einem seltsamen Amateurdenker? Was unterscheidet
alte und moderne Männerbilder? Ist der "neue Lehrer" besser
als der alte Pauker? Läßt die europäische Geistesgeschichte
sich neu schreiben vom Aphorismus aus, einer apokryphen Hybridgattung
zwischen Dichten und Denken, und warum schrieb Hegel keine "Phänomenologie
der Geistesblitze"? (Verlagstext) Kommentar: Diese Essaysammlung widmet sich den unterschiedlichsten kulturellen Aspekten. Der Entstehung der Menschheitsgeschichte wird ebenso nachgegangen, wie der Frage, ob ein Autor immer die Wünsche des Publikums im Auge haben muss? In einem immer leicht ironischen - teils auch satirischen - Stil, reflektiert der Autor u.a. das Dilemma des Lehrers, der seine Schüler auf ein Leben vorbereiten soll, das er selber gar nicht kennt, da er die Schule nie verlassen hat. Ein Haufen aufs Geratewohl hingeschütteter Dinge ist die schönste Weltordnung', sagt Heraklit - und Rolf F. Schütt scheint hier ein Stück seiner Weltordnung präsentieren zu wollen. (M.M.) * * * * *
Schlagwörter:
Natur, Satire, Psychoanalyse, Metaphysik Abstract:
Auch dieser Band vereint ausgewählte Essays zu kulturellen Fragen,
die aktueller sind, als sie heute gehandelt werden: Haben neuzeitliche
Absichten die religiösen Einsichten überholt? Qualitativ Neues
oder immer mehr vom Immergleichen: Braucht es mehr Psychoanalytiker oder
'geistesökologische' Ganzheitsgurus? Ist die Natur zu verbessern,
oder sind Idyll und Physik zwei extreme Abarten, sie zu verfehlen? Ist
Denken ohne Handeln ein Fehler, und gibt es nur Trivialliteratur? Sind
Sparsamkeit, Sauberkeit und Pünktlichkeit, law and order, Isolation
und Präzision, Fleiß und Sorgfalt konservative Tugenden? Wann
löst der geistige Wettkampf den materiellen Existenzkampf ab? Ist
Mystik 2000 die alte Mystifikation und Spirit(ual)ismus der neue Ungeist?
Veralten Psychoanalysen oder ihre Gegner? Ist Philosophie objektiver als
Religion, und warum ist sie keine Kontemplation mehr? Gibt es eine Zeitschrift,
die die (post)modernen kulturellen Denkmuster beschämen könnte?Warum
suchen Franzosen das Geistreiche und Deutsche das Spirituelle? Was kann
der reinen Natur intellektuell gerecht werden, ohne die Innenwelt zu verschmutzen?
(Verlagstext) Kommentar: Auch dieser Band kommt als Sammelsurium unterschiedlichster, ironisch aufbereiteter Gedanken Schütts daher, dem es merklich Freude macht, Ansätze in der Philosophie/Psychoanalyse auf ihre heutige Aktualität hin abzuklopfen. (M.M.) * * * * *
Ullrich,
Wolfgang. 1999. Zentrifugalangst und Autonomiestolz. Ein Nachruf auf die
Kulturkritik. Neue Rundschau, Heft 2/1999, S. 9-22. Schlagworte:
Schelers Kategorientafel der Kulturkritik, "höherwertige"
KulturHeideggers Ablehnung, "eigentliche" KulturScheler, Heidegger Abstract: Aufschlussreich
ist Schelers Kategorientafel der Kulturkritik, weil die Technik kulturkritischen
Denkens in Dualitäten dargestellt wird, die jedoch keine strikten
Gegensätze bezeichnen, sondern durchaus zu "Verwechslungen"
(z.B. Komfort mit Kultur) führen können, und nur dem geschulten
Blick verrät sich das eine als Defizienzform des anderen.Diese Aufstellung
wurde von Heidegger als Beleg einer Reduktion des Denkens auf ein nutzenorientiertes
Rechnen hin abgelehnt. So äußert er die Überzeugung, dass
sich das Wesentliche niemals in einer Tafel noch sonst wie in einer Fächerung
eines Systems aufzählen und darstellen ließe. Kommentar: Ausgehend von Max Schelers dualistischer Gegenüberstellung von deutscher und englischer Kultur (wobei die englische eine Ausdünnung der deutschen bzw. eine falsche Gleichsetzung mit dieser ist) zeigt Ullrich eine plakative Form der Kulturkritik, die darauf hindeutet, dass es nicht nur reine Gegensätze zu einer Kultur oder einem Kulturbegriff gibt, sondern Auffassungen vorherrschen können, die mit ihren Begriffen die "höherwertige" Kultur überlagern können. Diese "höherwertige" Kultur bildet das Zentrum, die Ausdünnung und Verwechslung sind die Peripherie; Kulturkritik bedeutet somit, alles mit dem Argwohn zu observieren, es könnte Zentrifugalkräften unterliegen. Scheler geht also davon aus, das Zentrum, also die "höherwertige" Kultur und somit das "Gute, Schöne, Wahre" zu kennen und bestimmen zu könnenIm Gegensatz dazu steht Heideggers Negation, sich dem "Wahren" auch nur vermeintlich nähern zu können. (M.M.) * * * * *
Vollhardt, Friedrich. 2001. "Kittlers Leere. Kulturwissenschaft als Entertainment". Merkur, 55/8, 711-716. Kommentar:
In seiner - wie der Titel bereits anzeigt - polemischen Besprechung
des 2000 erschienenen Sammelbandes Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft
(München: Fink), der eine an der Berliner Humboldt-Universität
gehaltene Vorlesungsreihe Friedrich Kittlers zur Einführung in
die Kulturwissenschaft dokumentiert, übt Vollhardt scharfe Kritik
an dieser, nach Kittlers eigenen Worten, "unbegründbaren"
(zitiert 716) Disziplin, die sich in ihrer Berliner Ausprägung
s.E. darin erschöpft, "ohne die Last philologischer Ansprüche
und ungestört von kritischen Einsprüchen oder dem kontrollierenden
Blick von Kollegen über heilige Texte' [nachzudenken] und
in aller Ruhe das Rad neu [zu] erfinden" (716). * * * * *
Watsuji, Tetsurô. 1997. Fûdo - Wind und Erde. Der Zusammenhang von Klima und Kultur. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Schlagwörter: Japandiskurs, Klimatologie, Kulturtheorie, Kulturvergleich, Kulturkritik, Hermeneutik, Antropologie, Ästhetik, Locozentrismus Abstract: Watsuji Tetsurôs (1889-1960) als "Ethik" proklamierte klimatologische Studie Fûdo (Vorlesungsmanuskript 1928/29, Buchveröffentlichung 1935) besteht aus 5 Kapiteln. Das einleitende enthält eine auf der Grundlage von Husserls Konzept der Intentionalität sowie Heideggers Sein und Zeit konzipierte Grundtheorie über fûdo (Klima), die, sich strikt von jeglichem geographischem Determinismus distanzierend, das Klima als philosophisches Problem darzustellen versucht. Das 2. Kapitel beinhaltet die Analyse der drei Klimatypen, die Watsuji infolge empirischer Beobachtungen während eines längeren Europa-Aufenthaltes sowie Reisen nach Indien, in die Südsee und den Nahen Osten unterscheidet. Mit dem in Indien, der Südsee und im ostasiatischen Küstenbereich einschließlich Chinas und Japans vorzufindenden Monsunklima verbindet der Autor zunächst generell Eigenschaften wie Passivität, Resignation und eine kontemplativ-emotionelle Lebensweise; eine Weiterdifferenzierung wird im 3. Kapitel vorgenommen. Das Wüstenklima bewirkt eine praxisorientierte Lebensweise, Widerstand, Kampfgeist und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit dem europäischen Wiesenklima verbindet Watsuji als allgemeine Charakteristika Antropozentrismus und Rationalität, wobei in Anlehnung an Spenglers Unterscheidung zwischen apollinischer und faustischer Natur weiter differenziert wird: Beschaulichkeit im Süden, technischer Fortschritt und Prädilektion zur Kriegsführung im Norden. Das 3. Kapitel behandelt besondere Formen des Monsunsklimas und widmet sich gezielt der Untersuchung Chinas und Japans. Aufgrund klimatischer Bedingungen spricht der Autor dem Chinesen ausgeprägtes Geschichts- und Traditionsbewusstsein sowie den (in Anbetracht der im 2. Kapitel als monsuntypisch proklamierten Emotionalität überraschenden) Verzicht auf Gefühlsregungen. Den so erschaffenen Kontext nützt Watsuji zur Hervorhebung der Singularität Japans: wesentliche Komponente der hier dominanten empfänglich-resignativen Haltung ist die charakteristische, auf Japan beschränkte Entschlossenheit aus Verzweiflung (yake). Die Einzigartigkeit Japans - vom Verfasser "das Merkwürdige" (mezurashisa) genannt - wird schließlich in einem Subkapitel detaillierter behandelt. Nach einigen Ausführungen bezüglich der durch Auslandsaufenthalt veränderten Perspektive auf die japanische Wirklichkeit beschreibt Watsuji Eigentümlichkeiten der japanischen Stadtplanung sowie Bauweise und erschliesst aus den architektonischen Merkmalen des japanischen Hauses (nach außen hin abgeschlossen, offen im Inneren und somit eine strikte Trennung zwischen Haus und Welt bewirkend) Charakteristika des japanischen Verhaltens: bedingungslose Liebe und Opferbereitschaft gegenüber der Familie einerseits, mangelndes gesellschaftliches Engagement andererseits. Das 4. Kapitel untersucht den klimabedingten Charakter der Kunst. Eingeleitet wird es von einigen theoretischen Überlegungen hinsichtlich der zwei laut Watsuji relevanten Faktoren "Zeit" und "Ort" und seiner Forderung nach Betonung der lokalen Verschiedenheiten als Ausdruck der Ortsgebundenheit, deren Vernachlässigung - selbst in Zeiten des "Zusammenschmelzens der Orte" (S. 152) - das Kunstwerk zum blossen Transplantat degradiert. Berührt werden an dieser Stelle auch die (damals wie heute aktuelle) Problematik der Übertragung europäischer Kunsttheorien auf außereuropäische (östliche) Kunst, des Eurozentrismus trotz Liebe zum Nicht-Europäischen sowie die Schwierigkeiten bezüglich einer angemessenen Definition des Ostens. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtungen stehen westliche und japanische Kunst, idealtypisch durch klassische griechische Plastik resp. Gartenkunst repräsentiert. Den klimabedingten Charkter macht Watsuji schließlich als Ausdruck des Logischen im sinnlichen Bereich resp. Sublimierung und Idealisierung des Naturschönen aus; als Mechanisierung kritisiert und dem Japanischen diametral entgegengestellt wird die Aufgreifung des griechischen Elements durch die Römer und schliesslich die Renaissance. Das abschliessende Kapitel bietet einen kritischen Überblick über Klimatologie von den antiken Anfängen (Hippokrates) bis zu Watsujis Gegenwart (Vidal de la Blanche); besonders berücksichtigt werden Herders Klimatologie des menschlichen Geistes und Hegels Philosophie des Klima. Kommentar: die nach der Öffnung des Landes (1853) einsetzende, äußerst dynamisch betriebene Modernisierung Japans wird vom Typus des sog. Japandiskurses begleitet, der zur Klärung des Verhältnisses zum wissenschaftlich-technisch überlegenen Westen eine zweifache Differenz thematisiert: gegenüber der abendländischen Kultur sowie der traditionellen japanischen Kultur selbst. Zur Erstellung einer Selbsthermeneutik bedient sich der seiner Bestimmung nach interkulturell angelegte Japandiskurs (Heise) der wissenschaftlichen Traditionen und theoretischen Mittel des Westens, weist jedoch gleichzeitig die Tendenz auf, die theoriegeleitete Selbstinterpretation für spezifisch westlich und die japanische Kultur für singulär, diskursiv unzugänglich zu erklären und sie der wissenschaftlichen Untersuchung zu entziehen. Der Philosoph Watsuji Tetsurô befasste sich in zahlreichen Studien zur Kultur- und Geistesgeschichte mit den Ausdrücken japanischer Subjektivität, wobei Fudô die vier Pfeiler seines Denkens (Klimatologie, Ethik, Geistesgeschichte, Kulturkritik) in Ansätzen beinhaltet und die theoretische Grundlage seines Programms bildet (Liederbach). Es verbindet ontologische und kulturelle Analyse, deren gemeinsamen Grund das als intentionale Struktur verstandene Klima darstellt, und kann nicht unabhängig von einer intensiven Husserl- und Heidegger-Rezeption betrachtet werden. Von Anfang an distanziert sich Watsuji von der Vergegenständlichung des Klimas als Vorgehensweise der Naturwissenschaften und sucht einen neuen, philosophisch begründeten Zugang zur Natur. Um eine solche Vergegenständlichung zu vermeiden, deutet der Verfasser im Rahmen von Husserls Phänomenologie das Klima als intentionales Erlebnis und definiert das Verhältnis des Menschen zu diesem als "Hinaustreten" /"Hinausstehehen" , wobei dieser Begriff zunächst keine zufrieden stellende Klärung erfährt. Dies bringt Watsuji - vor allem seitens Berque - den Vorwurf des geographischen Determinismus ein, den es gerade zu vermeiden galt. Um diesen zu entkräften, wendet sich der Autor in der Fassung von 1935 von Husserls Konzept der Intentionalität des Bewusstseins weitgehend ab und nähert sich Heideggers Analytik des Daseins, was eine eindeutigere begriffliche Klärung sowohl des Klimas als auch des Hinausstehens ermöglicht. In Hinwendung an Heideggers in-der-Welt-seins erfolgt die Einführung der Termini ningen (Mensch des Zwischens) und aidagara (Zwischensein), mittels derer die Erfassung des Menschen in seiner doppelten Natur als Individuum und gemeinschaftliches Wesen (an dieser Stelle kommen die ostasiatischen Traditionen, besonders diejenigen des Buddhismus und Konfuzianismus zum Tragen, die Watsuji der westlichen Vernachlässigung der Sozialität entgegenstellt) sowie die Vergeschichtlichung des Klimas und ihr Verständnis als Ort, an dem sich der Mensch selbst entdeckt, begreift und dieses Begreifen tradiert wird - kurzum als Lebenswelt - erreicht werden. Die Tradition des klimatischen Selbstverständnisses äußert sich in Formen der Gemeinschaftsbildung, Bewusstseinsformen, Produktionsformen - hiermit verleibt der Verfasser der Klimatologie eine Kulturtheorie ein, die die Differenzierung der Kulturen aufgrund der Selbstunterscheidung der Natur in verschiedenen Klimata vornimmt (Heise). Trotz aller Bemühung bleiben in Fudô - neben dem nationalen Tenor - einige theoretische Schwächen enthalten; hinzu kommt an mancher Stelle ein offensichtlich unzureichendes faktisches Wissen und irreführende Verallgemeinerungen - der gegenüber Watsuji seitens seiner Kollegen geäußerte Vorwurf eines gewissen Diletantismus wird hier, wenn nicht bestätigt, so doch erhärtet. Irritierend wirkt auch der vom japanischen Kontext häufig nicht zu trennende, streckenweise vorherrschende deskriptive Ton. Dennoch gelingt Watsuji mit dieser Studie sowohl die japanische Kultur philosophisch zugänglich zu machen als auch eine Fremdhermeneutik zu erstellen, einen Spiegel, in dem man sich wieder erkennt, wenn auch karikaturistisch verzerrt Literaturhinweise: Berque, Augustin: Identification of the Self in Relation to the Enviroment, in: Rosenberger, Nancy Ross (Hg.): Japanese Sense of Self, Cambridge: UP 1992, S. 93-104. Heise, Jens: Nihonron: Materialien zur Kulturhermeneutik, in: Menzel,Ulrich (Hg): Im Schatten des Siegers: Japan. Bd.1: Kultur und Gesellschaft, Frankfurt/Main 1989, S. 77-96.Liederbach, Hans Peter: Zur Entstehungsgeschichte von Watsuji Testurôs Fudô. Die Veränderungen des Klimabegriffs von der Erstveröffentlichung 1929 bis zur Buchfassung 1935, in: NOAG 167-170 (2000-2001), 159-179. (D.L.). * * * * *
Wyss, Beat. 1973. Trauer der Vollendung. Zur Geburt der Kulturkritik. Köln: DuMont. Schlagworte:
Mentalität, Hegel, Ästhetik, Avantgarde, Moderne, Postmoderne Abstract: Das Buch ist ein Kunst-Stück. Es handelt von der Kunst, entfaltet ihr Wesen, deutet ihre Gestalten - und ist selber Kunst: Kunst der Interpretation im Mantel geistreicher Gegenrede. (Auszug Rezension SZ, Klappentext) Die notwendig nachträgliche, aber unnötig nachtragende Vorgeschichte der Postmodernität, die Beat Wyss auszumachen unternimmt, ist aufregend und anregend (Auszug Rezension FAZ, Klappentext). Eine
Entdeckungsreise durch die Kunstgeschichte und nicht zuletzt ein Lesegenuß
(Auszug Rezension Frankfurter Rundschau, Klappentext). Kommentar: "Ich glaube nicht, daß es in der Geschichte der Philosophie einen Fortschritt gibt, vergleichbar der stetigen Verbesserung des Automobils; eher wird die Philosophie, die Kultur überhaupt, erst bereichert durch die Wiederentdeckung veraltet geglaubter Erkenntnisse. Kunstdeutung und Kunstbetrachtung bilden einen eidetischen Knoten, worin Dokumente der Vergangenheit und deren Auslegung in der Gegenwart zu Geschichten' geschürzt werden; über ihre Wahrheit befindet das epochal veränderliche Sinnbedürfnis immer von neuem" - schreibt Beat Wyss in seinem Vorwort und versucht im folgenden die Philosophie (vor allem Hegels Vorlesungen über die Ästhetik') und Kunstgeschichte zu verknüpfen. (M.M.) * * * * *
Züfle;
Manfred. 1998. "Der bretonische Turm". Essays
zur Macht- und Kulturkritik. Berlin: Argument. Schlagworte:
Kommunikation, kritische Sozialwissenschaft, Schweiz, Kulturumbrüche,
Macht Abstract:
16 Essays, die in aktuelle kulturpolitische Debatten eingreifen und
ein prägnantes Bild aktueller Entwicklungen in unserer Gesellschaft
zeichnen. Engagiert und sensibel werden hier neue gesellschaftliche
Tendenzen verzeichnet: Wie verändern die neuen Technologien das
kulturelle Zusammenleben? Was heißt es, wenn die Jugend als eigener
Lebensabschnitt abgeschafft wird, und welche Chancen bestehen für
eine zeitgemäße Bildung? Die Texte fragen nach den Möglichkeiten
einer kritischen Sozialwissenschaft und nehmen Freuds Projekt einer
Kulturkritik neu auf. Sie greifen ein in aktuelle kulturpolitische Debatten,
beziehen Stellung gegen einen modisch apokalyptischen Ton und beharren
zugleich auf der Notwendigkeit von politischen und spirituellen Visionen.
(Klappentext) Kommentar:
Die Essays entstanden im Zeitraum 1983-1998, also in einer Zeit, die
von Umbrüchen gekennzeichnet war (als Beispiel der Zusammenbruch
des realexistierenden Sozialismus'). Eben diese Veränderungen bieten
den Ansatzpunkt, Tendenzen und Grundlagen des kulturellen Zusammenlebens
darzustellen. (M.M.)
II. Kulturwissenschaft / Literaturwissenschaft
Graevenitz, Gerhart von. 1999. "Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft. Eine Erwiderung". Deutsche Vierteljahrsschrift, 73/1, 94-115. Kommentar:
Graevenitz' "Erwiderung" auf den Aufsatz "Literaturwissenschaft
als Kulturwissenschaft?" von Walter Haug
(Deutsche Vierteljahrsschrift, 73, 69-93) hebt mit einer ironisch-spitzen
Rekapitulation des dort dargelegten Problemfeldes an, die aufgrund ihrer
z.T. verzerrenden Raffung des Haugschen Gedankengangs, wie auch durch
bewußt oder unbewußt mißverstehende Unterstellungen,
den so Herausgeforderten zu einer Richtigstellung genötigt hat ("Erwiderung
auf die Erwiderung" (E.E), Deutsche Vierteljahrsschrift, 73, 116-121),
die hier, wo nötig, mit berücksichtigt werden soll. * * * * *
Haug, Walter. 1999. "Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft?". Deutsche Vierteljahrsschrift, 73, 69-93. Kommentar:
"Die Literaturwissenschaft hat in einem Maße Probleme mit ihrem
Selbst-verständnis, wie dies für kein anderes Fach zuzutreffen
scheint" lautet die phrase d'accès dieser skeptisch-kritischen
Auseinandersetzung des Tübinger Mediävisten mit dem jüngsten
Paradigma der Literaturwissenschaften: Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft
- ein Paradigma, das sich, so Haug, nahtlos an die "Als'-Metamorphosen"
anschließt, zu denen die Literaturwissenschaftler "geradezu
periodisch" ihr Fach "umetikettiert" haben, als da wären:
"Literaturwissenschaft als Geistesgeschichte, Literaturwissenschaft
als Sozialgeschichte, Literaturwissenschaft als Psychoanalyse, Literaturwissenschaft
als Ideologiegeschichte, Literaturwissenschaft als Mentalitätengeschichte".
Den neuesten "Trend" nimmt Haug nun zum Anlaß zu fragen,
warum "Literaturwissenschaft nicht Literaturwissenschaft sein"
darf, d.h. eine Wissenschaft, "die eine ihrem Gegenstand, der Literatur,
entsprechende Methode des Zugriffs und des Verstehens zu entwickeln und
zur Anwendung zu bringen vermag" (69). * * * * *
Pörtner, Peter.1996. "Aneignung durch Enteignung, ein japanischer Weg. Flankierende Notizen zum Fremdverständnis, zur japanischen Literaturwissenschaft und zum Übersetzungsproblem" . Wie international ist die Literaturwissenschaft? Methoden- und Theoriediskussion in den Literaturwissenschaften: kulturelle Besonderheiten und interkultureller Austausch am Beispiel des Interpretationsproblems (1950-1990). Hg. von Lutz Dannenberg und Friedrich Vollhardt in Zusammenarbeit mit Hartmut Böhme und Jörg Schönert. Stuttgart/Weimar: Metzler,478-491. Schlagwörter: Literaturwissenschaft, Literaturgeschichtsschreibung, Hermeneutik, Germanistik, Übersetzung, Kulturtheorie Abstract:
Wie bereits dem Untertitel zu entnehmen, widmet sich der Aufsatz Peter
Pörtners den Problemfeldern Fremdhermeneutik, Literaturwissenschaft
und Übersetzung. Ausgehend von der Beobachtung einer gegenseitigen
Ignoranz bezüglich der Tätigkeit deutscher Japanologen und japanischer
Germanisten bietet der erste Teil eine Bestandaufnahme jener sowohl von
japanischer als auch westlicher Seite im Rahmen des Japandiskurses häufig
(und häufig axiomatisch) beschworenen soziokulturellen Merkmale,
die eine erfolgreiche Kommunikationspraxis zwischen Japan und dem Westen
verhindern: Verschlossenheit der Sprache, Mangel einer Ich-Identität
in abendländischem Verständnis, maternelle gesellschaftliche
Strukturen, eigentümliche Beziehung zur Natur, "religiöse Irreligiosität"
. Ferner werden an dieser Stelle zwei Typen der Auseinandersetzung mit
Japan vorgestellt: Projektion als Mechanismus, in dem das Bezugsobjekt
in seiner Wirklichkeit ignoriert und lediglich als leere Fläche für
in der eigenen Kultur nicht realisierte Vorstellungen wahrgenommen wird,
sowie Übertragung, mittels der die eigene Kultur als vollendete Moderne,
der Vergleichsterminus hingegen - in seiner Ganzheit oder Teilbereichen
- als ungenügend differenziert erscheint. Der 2. Teil verfolgt die
Frage, ob und inwieweit sich die heute noch propagierte Vorstellung einer
Seelenverwandtschaft der Japaner und Deutschen als berechtigt erweist;
untersucht wird die Problematik anhand zweier Komplexe: a) der Übernahme
des deutschen Idealismus als Gegenkonzept zu "fortschrittlichen" Gedankenströmen
und b) der Instrumentalisierung des Deutschen durch die japanische Werbesprache,
die eine Wiedergabe von "Eigenschaften des ethno-kulturellen Stereotyps"
(Haarmann) bewirken. Kommentar: Dieser inhaltlich heterogene, assoziativ vorgehende, durch das Konzept der semantischen Fraktur des Fremden als Charakteristikum des japanischen Paradigmas lose zusammengehaltene Aufsatz entwirft primär ein Interpretationsmodell, das durch diachrone Untersuchung der japanischen Kultur zwar erhärtet wird, dem jedoch keinen höheren Gültigkeitsanspruch vor einigen anderen Entwürfen einzuräumen ist. Wie jene anderen - sowie das Interpretationsmodell allgemein - besitzt dieses einen fragmentarischen Charakter und leistet lediglich die Teilerklärung einer Teilansicht. Sekundär betreibt Pörtner eine Aktualisierung japanologisch relevanter Fragestellungen: nach Möglichkeiten und Grenzen der Hermeneutik sowie dem vielbeachteten Übersetzungsproblem. Literaturhinweise:
Haarmann, Harald: Prestigefunktionen europäischer Sprachen im modernen
Literatur verstehen?, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990 (es ; N. F. 608).
* * * * *
Schneider, Roland. 1992. "Literarisierung versus Moralisierung. Bemerkungen zu unterschiedlichen "Instrumentalisierungsweisen" in mittelalterlicher "Handwerker-Literatur" in Japan und Deutschland" . Nenrin - Jahresringe. Festgabe für Hans A. Dettmer. Hg. von Klaus Müller und Wolfgang Naumann. Wiesbaden: Otto Harrassowitz, 232-240. Schlagwörter: Literaturwissenschaft, Interpretation, Vergleich, Instrumentalisierung, Ideologie Abstract:
Der Aufsatz Roland Schneiders vergleicht Darstellungen von Handwerker-
und Berufsleben in der europäischen und japanischen Kommentar: Der Aufsatz Roland Schneiders ist strikt in den Kontext der klassischen Japanologie bzw. Komparatistik zu situieren. Er verzichtet ganz auf theoretisierende Digression und verfolgt objektgerichtet die Frage nach Formen und Mechanismen von Instrumentalisierung, Ideologisierung ursprünglich "neutralen" Stoffes in der japanischen und deutschen Literatur. Die ausgearbeiteten Differenzen präsentiert der Verfasser als ausschließlich literaturwissenschaftliche Erkenntnisse und dementsprechend ist auch der Beitrag nur unter diesem Kriterium zu bewerten: sachlich, aufschlussreich und bei allem wissenschaftlichen Anspruch sehr leicht verständlich. Eine Extrapolierung auf den weiteren (inter)kulturellen Rahmen bleibt dem Leser selbst überlassen, ist jedoch ohne tiefere japanbezogene Kenntnis kaum zu leisten und - sowohl angesichts der begrenzten Anwendbarkeit von Extrapolationen als auch des Selbstverständnisses dieses Artikels - durchaus mit der Gefahr der Fehlinterpretation verbunden. (D.L.) * * * * *
Zima, Peter V. (Hg.). 2000. Vergleichende Wissenschaften. Interdisziplinarität und Interkulturalität in den Komparatistiken. Tübingen: Gunter Narr Verlag Schlagwörter: Interdisziplinarität, Interkulturalität, Vergleichende Literaturwissenschaft Abstract: In diesem Band werden zum ersten Mal verschiedene vergleichende Wissenschaften miteinander konfrontiert und aufeinander bezogen. Die wissenschaftliche Arbeitsteilung soll wenigstens ansatzweise überwunden werden, damit klar wird, welche methodologischen Anliegen den vergleichenden Disziplinen gemeinsam sind. Dabei spielen zwei Stichworte eine entscheidende Rolle: Interdisziplinarität und Interkulturalität. (Verlagstext) Insgesamt wird deutlich, daß die vergleichende Methode Erkenntnisse zeitigen kann, die sich Nicht-Komparatisten entgehen lassen. Es geht hier jedoch nicht darum, deren Neid zu erregen, sondern darum, auf einige allen Komparatisten gemeinsame Anliegen aufmerksam zu machen, um die vergleichende Methode interdisziplinär ausbauen und konkretisieren zu können. Der vorliegende Band sollte gerade durch seine Lücken und offenen Fragen nicht nur die hier beteiligten, sondern alle interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einer Fortsetzung des komparatistischen Dialogs anregen. (Schlussabsatz des Vorworts) Kommentar:
Frage: Kann sich eine umfassende Begriffsbestimmung der politischen oder
literarischen Romantik auf einen kulturellen Kontext beschränken?Sollte
die Antwort Nein' lauten, so kommt man schnell auf Berührungspunkte
unterschiedlicher Wissenschaften, also zur Interdisziplinarität und
Komparatistik und im hier vorliegender Band weiter noch: zur Interdisziplinarität
verschiedener Komparatistiken. Eine Verständigung zwischen den einzelnen
Disziplinen hängt immer auch davon ab, inwieweit die jeweiligen Vertreter
eingestehen, dass ihre eigene Theorie nicht die einzig wahre und objektive
ist, sondern ebenfalls - wie die anderen Komparatistiken auch - ideologisch,
hier also kulturspezifisch gefärbt ist. Hierzu gehört auch die
Erkenntnis, dass es z.B. nicht die Soziologie, sondern eine Vielzahl soziologischer
Theorien gibt. (M.M.)
III. Kulturwissenschaft / Systemtheorie
Berg,
Henk de / Prangel, Matthias (Hgg.). 1993. Kommunikation und Differenz.
SystemtheoretischeAnsätze in der
Literatur- und Kunstwissenschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag. Stichwörter:
Dekonstruktionismus, Konstruktivismus, Systemtheorie, (Literatur-)Geschichtsschreibung,
Literaturwissenschaft, Luhmann, Habermas Abstract:
Luhmanns Systemtheorie setzt bei der Kommunikation und damit bei dem Ereignis
an, das individuelles Bewußtsein überhaupt erst in soziale
Wirklichkeit transformiert und als Information greifbar, das heißt
beschreibbar macht. Kommentar: Vertreter der Germanistik, Anglistik, theoretischen Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft aus Deutschland, Holland und Belgien wollen in dieser Zusammenschau die Diskussion um Systemtheorie und Kunst fördern und sie auf interdisziplinäre und internationale Füße stellen. (M.M.) * * * * *
Fleischer,
Michael. 1992. "Evolutionäre Systemtheorie der Literatur (ein
Projekt)". Lili.
Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik , 22, Nr. 87-88,
197-205. Stichwörter:
Offenes System, Teleologie und Möglichkeitsbündel, Diskurstheorie,
Semiotik Abstract:
Literatur wird verstanden als evolutionärer Prozess mit eigenen Systemgesetzen
und in Wechselwirkung mit dem Suprasystem Kultur' und sozialen (Sub-)Systemen. Kommentar: Der jeweilige Zustand der Literatur wird als Zwischenstation vor einer Entwicklung und nicht als Gleichgewichtsstand - mit einer Idealvorstellung von Literatur - gesehen. Das bedeutet, dass die Literatur immer auch auf Einflüsse von außen angewiesen sein muss, da sich aus dem stationären Zustand ansonsten ein starrer Zustand - ohne innere Veränderungsmöglichkeiten - ergeben würde. (M.M.)
Appiah, Kwame Anthony. 2002. "États altérés" . Le Débat, 118. Paris: Gallimard, 17-33. Kommentar:
Der Aufsatz ist Appiahs 1992 erschienenem Essayband In My Father's
House entnommen. Der aus Ghana stammende Autor, Professor für Philosophie
am Du Bois Institute for African American Studies der Harvard University,
gibt einen Überblick über die Entwicklung Afrikas seit dem Ende
der Kolonialherrschaft. Mehr ist dazu nicht zu sagen. * * * * *
Breger, Claudia / Döring, Tobias (Hg.). 1998. Figuren der, des Dritten. Erkundungen kultureller Zwischenräume. Amsterdam [u.a.]: Rodopi. Schlagwörter: Gender Studies, Postkolonialismus, Kulturanthropologie, Kultureller Zwischenraum, Kulturanthropologie, Übersetzungswissenschaften Abstract: Dieser Band stellt sich aktuellen Theoriefragen, die an den Schnittstellen von Gender Studies, Postkolonialismus, Übersetzungswissenschaft und Kulturanthropologie greifbar werden. In der Rhetorik all dieser Disziplinen haben Metaphern und Figuren der/des Dritten' seit langem Konjunktur. Als Dritter Raum, Drittes Geschlecht, Hybridität, Fetisch, Sündenbock, Parasit oder Übersetzer/Verräter spielen sie höchst ambivalente Rollen im Raum zwischen binären Oppositionen, denn nicht selten affirmieren sie stabile Identitäten, die sie zugleich auch unterlaufen. Dieser Sammelband unternimmt es erstmals, die Gemeinsamkeiten und Differenzen all solcher Figuren zu erkunden, und untersucht ihre Funktionen in Diskursen über "Zigeuner", "Perverse", Geister, Gäste, Geiseln usw. auf komparatistischer Grundlage. Theoretische und historische Perspektiven verbindend, greift der Band auf vielfältige Weise in gegenwärtige kulturwissenschaftliche Debatten ein. Er richtet sich an Interessierte aus allen literatur- und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen. (Klappentext) Kommentar: Das Dritte' gewinnt seine Kontur aus der Dichotomie von das Eine' und das Andere' und hängt somit immer auch von unserer Wahrnehmung ab, die nicht zuletzt die Grenzen und Möglichkeiten der Figuren bestimmt bzw. zulässt. (M.M.) * * * * *
Heise,
Jens. 2001. "Japan, ethnographisch - Fragen einer interkulturellen
Schlagwörter: Ethnologie, Kulturantropologie, Kulturtheorie, Japanologie, Hermeneutik, Interkulturalität, Interpretationsmodell Abstract:
beginnend mit der Kritik am traditionellen Begriff der Kulturwissenschaft,
befasst sich Heise mit der am Beispiel einer japanologischen, der anglo-sächsischen
Kulturantropologie verpflichteten Arbeit aus dem Jahre 1993 - Joy
Hendrys Wrapping culture - aufgezeigten Relevanz der Ethnologie zu einer
kulturwissenschaftlichen Neuinterpretation. Der knappe Aufsatz besteht
aus 2 Teilen. Der erste referiert die nach Heise nicht nur die Ethnologie,
sondern jedes Verstehen des Fremden betreffende "Krise der Repräsentation"
- der Titel, unter dem die Ende der 70er Jahre einsetzende Diskussion
zur kulturwissenschaftlichen Selbstbefragung der Ethnologie verläuft.
Ausgehend von einem Rousseau-Zitat aus dem Essay über den Ursprung
der Sprachen wendet sich der Verfasser einer bereits im 18. Jh. formulierten,
ethnographischen Bedingung für ein angemessenes Verständnis
des Menschen zu: der Notwendigkeit zur Kommentar:
mit diesem Aufsatz erbringt der Japanologe und Philosoph Jens Heise auf
knappstem Raum eine dreifache, intra- sowie Literaturhinweise: Berg, Eberhard/Fuchs, Martin (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der Repräsentation, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1995. - Hendry, Joy: Wrapping Culture. Politeness, Presentation and Power in Japan and other Societies, Oxford: UP 1993. (D.L) * * * * *
Kähler, Klaus, E. Intersubjektivität und absolutes Wissen bei Hegel. (Zu erhalten beim Autor) Schlagworte: Intersubjektivität, Subjektivität, Hegel, absolutes Subjekt, Idee, Kritik, intersubjektive Strukturen Abstract: Kähler untersucht das Verhältnis von Intersubjektivität und absolutem Wissen bei Hegel. Intersubjektivität definiert er dabei wie folgt: "Die verschiedenen Weisen und Stufen der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem sind der Sache nach jeweils Instanzen von Intersubjektivität, in welcher die als Individuum existierende Subjektivität sich vorfindet und versteht" . Bei der Bestimmung des Verhältnisses unterscheidet er grundsätzlich drei Konzeptionen: a) im Ausgang vom Ganzen; b) im Ausgang vom Einzelnen; und c) ausgehend von der Wechselbeziehung von Intersubjektivität und individueller Subjektivität. Dabei hält K. fest, das im hegelschen Denken nur letztere Gültigkeit hat: "Nur wenn das Selbstbewusstsein seine zufällige Partikularität überwindet, nicht nur als Einzelnes agiert, sich vielmehr mit dem herrschenden Allgemeinen zu verbünden weiß, kann es verändernd auf die Gestaltung der Intersubjektivität oder gar der substantiellen Sittlichkeit einwirken" (1). Dabei kann sich Intersubjektivität nicht auf partikulare Beziehungen zwischen besonderen Individuen beschränken, sondern muss sich auf die institutionelle Seite des Allgemeinen beziehen, die das gemeinschaftliche Leben ermöglichen, strukturieren und fördern. Diese Institutionen sind dem Menschen einerseits eine vorhandene Welt, gleichsam eine "zweite Natur" . Andererseits kann diese "zweite Natur" nur in Interaktion mit dem Subjekt bestehen, muss also ein Ort der Freiheit sein, der sowohl substantiell als auch individuell ist. "Das Subjekt, als die an und für sich seiende Substanz aller endlichen Subjektivität und Intersubjektivität, ist, indem es so gesetzt und entwickelt ist, " absolutes Subjekt" . Damit hält Hegel an der cartesischen Selbstgewissheit des Bewusstseins fest. Kommentar: Ausgehend von der hegelschen Definition von Intersubjektivität sucht Kähler die kritische Überschreitung: "Wenn die Philosophie Hegels überboten werden soll durch das Prinzip der Intersubjektivität, so muß sie in sich ("immanent" ) kritisiert werden" (13). Kähler macht entsprechend die Gegenrechnung auf, indem er die hegelsche Theorie aus den Sphären der rein ideellen Erscheinungen auf realphilosophischen Boden stellt. Im Gegensatz zur spekulativen Aufhebung des Endlichen setzt er die Abhängigkeit des Absoluten von seiner Erscheinung, Die Idee ist abhängig von ihrer Erscheinung als Natur, der Geist von seiner Natürlichkeit: "Das Resultat Hegels, dass die volle Wirklichkeit eben nicht die des absoluten Geistes rein für sich sein kann [...] als Krisis des absoluten Subjekts zu lesen [...] kann den Weg frei machen für eine philosophische Wiedergewinnung der Realität der intersubjektiven Strukturen und Prozesse" (18). Dieser Gedankenansatz ist Kählers eigentliches Anliegen. (S.B.) * * * * *
Mall, Ram Adhar (Hg.). 1993. Philosophische Grundlagen der Interkulturalität. Studien zur Interkulturellen Philosophie. Amsterdam [u.a.]: Rodopi. Schlagworte: Interkulturalität, interkulturelle Philosophie Abstract: Neben einer begrifflichen und inhaltlichen Klärung der Interkulturalität geht es in den Beiträgen um eine grundsätzliche Diskussion und Standortbestimmung der interkulturellen Philosophie in dem heutigen Weltkontext der Philosophie. Der heutige weltphilosophische Kontext bedarf einer komprehensiveren Hermeneutik (Klappentext).Das "Verstehenwollen" und das "Verstandenwerdenwollen" gehören unmittelbar zusammen und machen das Motto der inter- bzw. intrakulturellen Philosophie aus. Kommentar: Nach einem ersten Teil, der um die begriffliche, methodologische und inhaltliche Klärung der "interkulturellen Philosophie" bemüht ist, geht es in einem zweiten Teil vor allem um eine Anwendung dieser Philosophie. Es werden philosophische, phänomenologische und interdisziplinäre Ansätze aus interkultureller Sicht vorgestellt, entfaltet und angewandt. (M.M.) * * * * *
Reckwitz,
Andreas. 1997. Kulturtheorie, Systemtheorie und das sozialtheoretische
Muster
der Innen-Aussen-Differenz. Zeitschrift für Soziologie, 26, Nr.
5, 317-336. Schlagwörter: Konstruktivistische Systemtheorie, Leitunterscheidung, psychische und soziale Systeme, Holismu Abstract: Luhmanns konstruktivistische Systemtheorie und die neueren Ansätze einer kulturtheoretischen Analyse wissensangeleiteter sozialer Praktiken, wie sie exemplarisch bei Bourdieu und Giddens präsentiert wird, vollziehen die interpretative Wende' in den Sozialwissenschaften in einer jeweils konträren Theoriearchitektur. Luhmann baut mit seiner Leitunterscheidung zwischen psychischen und sozialen Systemen in Anlehnung an Descartes, Husserl und Durkheim auf einer Innen-Außen-Differenz zwischen Bewußtsein und Sozialwelt auf. Die Kulturtheorien bei Bourdieu und Giddens distanzieren sich hingegen in Anlehnung an Saussure und den späten Wittgenstein von dieser Innen-Außen-Differenz und gehen statt dessen von der analytischen Leitdifferenz zwischen Wissensstrukturen und Handlungspraxis aus. Rekonstruiert man Systemtheorie und Kulturtheorien in dieser Weise, verschieben sich die Fronten gängiger Theoriekritik: Die Kulturtheorien erscheinen nicht als individualistisch', sondern umgekehrt als Vertreter eines sozialen Regelholismus. Demgegenüber besitzt Luhmanns vorgeblicher Holismus im Begriff des psychischen System eine individualistische Kehrseite und sieht sich mit der kulturtheoretischen Kritik konfrontiert, soziales Wissen' auf Semantik zu reduzieren. (Zusammenfassung zu Beginn des Textes) Kommentar: Ausgehend von mehreren Metatheorien der Sozialtheorien (social facts, social behaviour, social definition), die parallel nebeneinander existieren, zeigt Reckwitz die nachdrücklichste Veränderung auf dem Gebiet des social-definition-Paradigmas, das sich zu kulturtheoretischen bzw. systemtheoretischen Ansätzen entwickelt hat. Er stellt dabei den systemtheoretischen Konstruktivismus Luhmanns (Stichwort: Autopoiesis) gegen die Beobachtungen der Gesellschaft, wie sie von Bourdieu und Giddens vorgenommen wurden (Stichwort: wissensangeleitete soziale Praktiken). Dabei macht er die Rekonstruktion von sozialen Sinnzusammenhängen als deren grundlegende Gemeinsamkeit aus, um dann aber auf die grundlegenden Unterschiede hinzuweisen, die er nicht als Gegenüberstellung von individualistisch' und holistisch' charakterisiert, sondern vielmehr als das jeweilige Verhältnis der einzelnen Theorieansätze zur Innen-Außen-Differenz - also dem Verhältnis von Bewußtsein zur Außenwelt bzw. von psychischen zu sozialen Systemen. (M.M.) * * * * *
Uerlings, Herbert . 1997. "Poetiken der Interkulturalität. Haiti bei Kleist, Seghers, Müller, Buch und Fichte". Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte, 92. Tübingen: Niemeyer. Schlagwörter:
Interkulturalität, Intertextualität, Ethnopoesie, Alterität,
Dekolonisation, Dekonstruktion, New Historicism, Postkoloniale Theorie Abstract:
Zu den Kernfragen der interkulturellen Germanistik gehört die nach
dem Verhältnis von kultureller und poetischer Alterität: Welche
Möglichkeiten und Grenzen haben ästhetische Texte bei der Repräsentation
kultureller Differenz? Dieser Frage geht die Fallstudie zu "Haiti"
bei Heinrich von Kleist ("Die Verlobung in St. Domingo"), Anna
Seghers ("Karibische Geschichten", "Drei Frauen aus Haiti"),
Heiner Müller ("Der Auftrag"), Hans Christoph Buch ("Die
Hochzeit von Port-au-Prince") und Hubert Fichte ("Xango")
nach. (Verlagstext) Kommentar: Auf der einen Seite steht Haiti aufgrund seiner Geschichte in einem engen Verhältnis zur europäischen (Entdeckung durch Kolumbus, Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich), auf der anderen Seite verkörpert es aber auch das Exotische (Stichwort Voodoo). Davon ausgehend stellt sich die Frage, was eigentlich das Fremde' ist und ob eine europäische Sicht auf außereuropäische Phänomene nicht immer auch eine Form der Selbstrepräsentation ist? Neben den Betrachtungspunkt der poetischen Alterität tritt somit auch die Frage nach der kulturellen Alterität. (M.M.) * * * * *
Uerlings, Herbert u.a. (Hgg.). 2001. "Das Subjekt und die Anderen. Interkulturalität und Geschlechterdifferenz vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart". Studienreihe Romania, 16. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Schlagwörter: Interkulturalität, Geschlechterdifferenz, Genderforschung, Kolonialismus und Postkolonialismus, feministische Kulturkritik, Ethnisierung Abstract: Die Beiträge dieser Veröffentlichung befassen sich mit der Konstruktion außereuropäischer Kulturen in der europäischen Kunst und Literatur. Im Kern geht es dabei um den Zusammenhang zwischen kultureller und sexueller Differenz und seine Bedeutung für die Konstituierung eines europäischen Subjekts, das in der Konstruktion eines "Anderen" seine deutlichen Konturen erhält. Nach einführenden Darstellungen über die Diskursfelder und Kategorien der Alterität werden in einer Reihe von Fallstudien Konstruktionen von Alterität durch metaphorische Verschiebungen zwischen Körper- und Raumbildern, Sexualität und Geographie, interner und externer Fremdheit untersucht. Die Beiträge thematisieren u.a. die Kunst des Errötens in der Malerei des 18. Jahrhunderts, die Darstellung der "Anderen" in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur oder die Repräsentation der Indianer im Rasse- und Geschlechtsdiskurs der deutschen Spätaufklärung. (Verlagstext) Ob und inwiefern die ästhetische Differenz der Kunst dazu genutzt wird, geläufige Diskursivierungen kritisch zu unterlaufen oder zu dezentrieren, ist eine der zentralen Fragen des Bandes. Die Beiträge stammen aus unterschiedlichen Disziplinen der Anglistik, Ethnologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Romanistik und Soziologie. So wird der gemeinsame Gegenstand pointiert und perspektivenreich herausgearbeitet: die Regeln und Muster des Diskurses der Andersheit, die Deutungsmetaphern und Denkfiguren der Alterität. (Klappentext) Kommentar: Die leitende Hypothese der Beiträge (entstanden als Dokumentation eines interdisziplinären internationalen Kolloquiums) ist, daß bei der Konstituierung eines neuzeitlichen europäischen Selbst durch die Konstruktion von Anderen' der Überschneidungen von kulturellen und sexuellen Differenzen eine Schlüsselrolle zukommt. Das Werk ührt die Interkulturalitätsforschung und die feministische Kulturkritik zusammen und versucht dadurch ein neues Paradigma zu implementieren. (M.M.) * * * * *
Weber-Schäfer, Peter. 1997. "Das dritte Auge und die Einheit von Ja und Nein. Über interkulturelles Verstehen und seine Verhinderung durch wohlmeinende Ignoranz" . Wasser-Spuren. Festschrift für Wolfram Naumann zum 65. Geburtstag. Hg. von Stanca Scholz-Cionca. Wiesbaden: Harrassowitz, 141-158. Schlagwörter:
Interkulturalität, Hermeneutik, Stereotype, Rationalität, Abstract: Im Zentrum der Darstellung Peter Weber-Schäfers steht die essentielle Frage nach der Möglichkeit interkulturellen Verstehens, die der Verfasser durch Bestandaufnahme sowie Analyse einiger Stereotype zu beantworten sucht, die im Kontext der Beschwörung unüberbrückbarer Differenzen resp. weitestgehender Übereinstimmungen zwischen westlichem und östlichem Denken wiederholt auftauchen. Als den interkulturellen Dialog hinderndes Mißverständnis wird auf westlicher Seite die Neigung zur Exotisierung der ostasiatischen Kunst- und Geisteswelt zu einer der europäischen Rationalität überlegenen "Weisheit des Ostens" angeführt; dieser Entwicklung steht auf östlicher Seite wiederum eine Selbstexotisierung gegenüber, die Tendenz zur Singularisierung der eigenen Kultur und ihrer Erklärung für diskursiv unzugänglich. Als Bespiele solcher Beurteilungsstereotype, die zudem die Isolierung des Gegenstandes aus dem realkulturellen Zusammenhang sowie seine Nutzbarmachung in davon divergierendem Sinne zur Folge haben, führt der Autor u. a. den westlichen Umgang mit dem Zen-Buddhismus an. Anschliessend werden zum einen Hintergründe der europäischen Zen-Rezeption untersucht, zum anderen die Frage nach der Legitimität der Kategorisierung Japans als "Land des Zen" gestellt. Ebenfalls kritisch hinterfragt wird die mit der Lokalisierung ostasiatischer Kulturen jenseits der Rationalität verbundene sowie pauschal vorgenommene Ablehnung der These von der universellen Gültigkeit der Logik seitens westlicher Intellektuellen. Es folgen einige Ausführungen zur Doppelkonnotation des Begriffes "Logik" als a) "Mindestkatalog von Regeln, denen Denken und Sprache folgen müssen, um realitätsadäquate und kommunikativ vermittelbare Aussagen über die Welt zu ermöglichen" (S. 154) und b) "System von Aussagen darüber, was die formale Gestalt dieser Regel ist und welche Bedeutung sie für vernünftiges Sprechen über die Welt haben" (ebd.) sowie zum Gefahrenpotential einer ungenügenden Differenzierung zwischen Logik als universell menschlichem Attribut und akademischer Disziplin, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn Ostasien die Entwicklung einer lediglich rudimentären Logik vorgehalten wird. Der Aufsatz schliesst mit der Beantwortung der anfangs gestellten Frage nach der Möglichkeit interkulturellen Verstehens, die, so Weber-Schäfer, in eben der Universalität der Vernunft begründet liegt und durch vorrangige Aktivierung der allgemein menschlichen Erfahrung vs. Favorisierung einer kulturgebunden partikulären Symbolik verwirklicht werden kann. Kommentar:
Dieser Aufsatz, zu dem der Verfasser bescheiden vorbemerkt, er entspreche
formal eher dem anekdotischen japanischen Essay als dem strengen wissenschaftlichen
Diskurs (S. 141), wäre - gäbe es eine solche - der Rubrik "Was
man/Japanologe schon immer sagen wollte, sich jedoch nie traute" zuzuordnen.
Mit seltener Prägnanz, Pointiertheit und auch Humor unterzieht Weber-Schäfer
einige repräsentative, aus der langen Reihe "interkultureller Verwirrungen"
ausgewählte Bespiele von populären Irrtümern und Missverständnissen
einer tiefgehenden Kritik sowie der Richtigstellung, ohne dabei in den
- anderswo häufig anzutreffenden - erhabenen Sarkasmus des Initiierten
zu verfallen. Er * * * * *
Yamaguchi, Osamu. 1995. "Skizzen zum Thema: "Wenn Kulturen sich begegnen"". Lux Oriente. Begegnungen der Kulturen in der Musikforschung. Festschrift für Robert Günther zum 65. Geburtstag. Hg. von Klaus Wolfgang Niemöller et al. Kassel: Gustav Bosse, S. 493-501. Schlagwörter: Musikforschung, Kulturaustausch, Interkulturalität, Kulturrelativismus, Kulturtheorie Abstract:
der Aufsatz Yamaguchi Osamus besteht aus 5 quantitativ gleichen Teilen,
die jeweils einen thematischen Schwerpunkt kurz behandeln. Begonnen wird
mit einer mit Beispielen untermauerten, extensiven Definition der Kultur
als Gesamtheit dessen, was Menschen innerhalb eines bestimmten Raumes
und Zeitverlaufs hervorgebracht haben und hervorbringen. Kultur/Zivilisation
entsteht aus der Objektivierung der Naturphänomene Klang, Licht,
Duft und Wärme; ihre emotionell und intellektuell getätigte
Transformation in Kunstgebilde oder religiöse Handlungen dient dem
Menschen als sozialem und religiösem Wesen zur Kommunikation mit
Menschen oder Gott. Der 2. Teil Kommentar:
der Aufsatz Yamaguchi Osamus versteht sich als ein am Fallbeispiel der
Musikforschung vorgenommener Beitrag zur interkulturellen Hermeneutik,
der verstärkt Problemfelder wie das Verstehen des Fremden und das
konstruktive Potential kulturellen Austausches thematisiert. Leider vermag
er wenig zu überzeugen: die Darstellung erweist sich als konventionell,
an theoretischer Untermauerung sowie Lösungsvorschlägen mangelt
es gänzlich, ein weitestgehend expositorischer Charakter kann nicht
überwunden werden. Bedenklich stimmt auch die Tributarität gegenüber
Watsujis Klimatologie sowie der strittige Glaube an das didaktische Potential
der Geschichte. Es überwiegen tendenziell vom japanischen Diskurskontext
nicht zu trennende Elemente wie die Betonung des Menschen in Literaturhinweise: Hijiya-Kirschnereit, Irmela: Was heißt: Japanische Literatur verstehen?, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1990 (es ; N. F. 608). (D.L.).
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